Seit ein paar Jahren schießen feministische Bücher wie Pilze aus dem Boden. Essaybände und Artikelsammlungen, Abhandlungen, Romane, Gedichtbände, Bücher über starke Frauen, Fiktionales…bei all der Fülle, die inzwischen auf den Markt geworfen wird, kann man schnell den Überblick verlieren, welche Bücher sich für Einsteiger*innen eignen, welche eher für Fortgeschrittene, und welche man sich im Grunde klemmen kann.
Dieser Artikel soll einen minimalen Einstieg verschaffen. Minimal bedeutet: kein Anspruch auf Vollständigkeit der vollen Bandbreite. Zudem bezieht diese Liste nur neuere Bücher der letzten paar Jahre mit ein. Klassiker wie Das Unbehagen der Geschlechter, Das andere Geschlecht oder A Room of One’s own werden in einem anderen Artikel Platz finden.
Aller Anfang ist schwer. Oder nicht?
Katja Klengel – Girlsplaining
Wie ist das eigentlich mit der Menstruation und wieso wird schon Mädchen beigebracht, dass ihr Intimbereich etwas ist, das sie am besten mit Chlorbleiche tiefenreinigt? Was hat Spielzeug mit Feminismus zu tun, und muss ich Kinder bekommen?
Katja Klengel geht diesen und weiteren Fragen in ihrer Graphic Novel Girsplaining* nach.
*angelehnt an den Begriff Mansplaining
Ene Mene Missy
Feminismus ist ein so großer, sperriger Begriff, das ist alles zu kompliziert und zu unübersichtlich? Wer sich dennoch mit dem Thema auseinandersetzen oder die Schwester, Tochter, Nichte dafür begeistern möchte, ist bei Ene Mene Missy genau an der richtigen Adresse. Sonja Eismann, Mitbegründerin des Missy Magazines, erklärt kurz und knackig, worum es in den verschiedenen Strömungen des Feminimus überhaupt geht.
Richtig toll: die Sprache ist wunderbar einfach und trotzdem on point. Das Buch ist eben für junge Mädchen gedacht, die sich noch nicht (viel) mit Feminismus beschäftigt und keine Lust auf lange, akademische Abhandlungen haben. Das Buch ist daher aber auch etwas für Menschen, die eher unkomplizierte Text und einfache Sprache bevorzugen.
Untenrum frei
Untenrum frei thematisiert Sexualkultur und Sexismus. Wie werden Frauen in gleichen Positionen wie Männer in der Presse dargestellt? Wieso ist Youtube als Weiterführung der sexuellen Aufklärung durch die Bravo eigentlich noch schlimmer? (Antwort: unfassbar sexistisch!) Wie werden Mädchen und junge Frauen überhaupt sexuell in dieser Gesellschaft geprägt, und vor allem: welche Rolle spielen Frauenzeitschriften? (Antwort: keine gute…)
Stokowski schreibt frech von der Leber weg, wenn meiner Meinung nach auch nicht ganz so pointiert und wütend wie Laurie Penny. Dennoch sollten junge Frauen dieses Buch lesen, durch die frische Sprache ist es hervorragend für Teenanger geeignet, die einen nicht so trockenen Einstieg in den Feminismus suchen!
Unsagbare Dinge
Unsagbare Dinge ist eins der Bücher des aktuellen Feminismus, die jede*r gelesen haben sollte, die*der sich mit Feminismus auseinandersetzt. Wütend, witzig, pointiert bringt Laurie Penny feministische Themen auf’s Trapez. Immer wieder scheint vor allem Pennys politischer Hintergrund durch, denn ihre Kapitalismuskritik ist ein wesentlicher Bestandteil ihres Feminismus. Die Wucht, mit der sie schreibt, dürfte vielen Frauen aus der Seele sprechen.
Jessa Crispin – Warum ich keine Feministin bin
Crispin nimmt in ihrem “Manifest” den gegenwärtigen Feminismus auseinander und wirft ihm und seinen Vertreterinnen vor, den Feminismus auszuhöhlen und die Ideale der alten Feministinnen und der Bewegung zu verraten. Problematisch ist nicht nur, dass sie sich ausschließlich auf den us-amerikanischen Feminismus der weißen Mittelschicht bezieht, sondern auch, dass sie offensichtlich viele der aktuellen Strömungen, Aktionen und Bewegungen innerhalb des Feminismus nicht kennt bzw. nicht anerkennen will.
Warum ich keine Feministin bin ist ein perfektes Buch, um die eigenen feministischen Einstellungen zu prüfen und die eigenen Argumentation zu schärfen.
Essaysammlungen
Scarlett Curtis – The Future is Female
Man könnte meinen, ein knallpinkes Buch über Feminismus bedient vor allem erstmal ein Klischee. Mag sein, vor allem aber spielt es damit. In Future is Female ist eine Bandbreite von Texten enthalten, die sich mit Frausein und Feminismus beschäftigen: Poetische Texte reihen sich an nachdenkliche, an wütende Texte gehen in Erfahrungsberichte über. Es schreiben schwarze Frauen, weiße Frauen, Transfrauen, junge, alte…in dieser Sammlung wird jede Frau etwas finden, mit dem sie sich identifizieren kann, egal, ob sie sich schon seit Jahren mit feministischen Themen beschäftigt oder es das erste Buch ist, das sie liest.
Nora Amin – Weiblichkeit im Aufbruch
Nora Amin beschreibt in ihrem Essayband den weiblichen Körper in der Öffentlichkeit. In dieser, so ihre These, gehört der Körper nicht mehr der Frau, sondern wird von anderen, von außen betrachtet, bewertet, eingeordnet. Da man sich dieser Betrachtung von außen bewusst ist, verhält man sich als Frau in der Öffentlichkeit anders als zu Hause, und allein anders als im Beisein von Freunden oder Familie.
Mary Beard – Frauen und Macht
Die Zwei Essayss von Mary Beard beschäftigen sich damit, wie Frauen über Jahrtausende von Machtpositionen bzw. Machtvolleren Positionen abgehalten und zum schweigen gebracht wurden, was die westlich-europäisch-nordamerikanische Kulturgeschichte damit zu tun hat, und wie auch Frauen in Machtpositionen nicht dasselbe Maß an Macht besitzen wie ihre männlichen Kollegen.
Roxane Gay – Bad Feminist
Gay befasst sich in ihren Essays mal mehr, mal weniger offensichtlich mit Feminismus. Mal analysiert sie die Banalisierung der Sprache, mit der in den Medien sexualisierte Gewalt beschrieben wird, dann wieder Rape Culture in Songs, aber auch Rassismus in gehypten Filmen nimmt sie unter die Lupe. Gay untersucht vor allem die Popkultur, sehr praktisch und immer mit persönlichem Bezug. Das macht die Essays auch für weiße Frauen zugänglich. Mehr noch, die Einblicke öffnen neue Sichtweisen auf problematische Inhalte der Popkultur (Ihr mögt Django Unchained? Lest mal ihr Essay dazu!)
Das wichtigste ist aber ihre Überzeugung, dass es nicht „die perfekte Feministin“ gibt – und „it’s okay when I do not live up to my best feminist self.“ Während sie den Feminismus sehr ernst nimmt, ist sie der Meinung, dass man selbst nicht die perfekte Feministin sein muss, gerade weil wir in einer Gesellschaft leben, die von jeder*m jederzeit Perfektionismus erwartet.