Die Behauptung, Mutterschaft und Feminismus passten nicht zusammen, hält sich hartnäckig. Die frühen Feministinnen der 1920er Jahre hatten die Mutterschaft noch als biologische Stärke und Vorteil der Frau angesehen. Dass diese Vorstellung nicht nur alle Frauen ausgrenzt, die keine Kinder bekommen können, und auch alle, die keine Kinder bekommen wollen, war damals kein Thema. 1976, als Simone de Beauvoir von Alice Schwarzer interviewt wurde und die Mutterschaft als „Falle“ für die Frau bezeichnete, hatte sich das kaum geändert. Der Blick aber auf die Mutterrolle im Blicke des Feminismus sehr wohl. Das geht doch gar nicht, für Frauenrechte kämpfen und abends die Kinder ins Bett bringen. Kinder überhaupt sind scheinbar die endgültige Kapitulation vor dem Patriachat.
Frauen zweiter Klasse?
Letztes Jahr titelten die Zeitungen noch groß, dass Frauen 60 % mehr Zeit mit unbezahlter Hausarbeit zubrächten als Männer. Sie kümmern sich öfter um die Kinder, um das Essen, um die Einkäufe, um das Putzen. Sie bekommen nur Teilzeitstellen oder können nur Teilzeitstellen annehmen, weil sie nachmittags das Kind betreuen müssten. Der Spiegel schrieb 2017 über eine Umfrage, nach der die Mehrheit der Frauen meinten, Mütter sollten sich die ersten drei Jahre ausschließlich um ihren Nachwuchs kommen. Versuche, Väter in die Elternzeit zu bekommen, endeten damit, dass die zwei Monate, um die das Elterngeld verlängert werden kann, wenn beide von ihrem Recht Gebrauch machen, Vätermonate genannt werden. Mütter haben doch, so die Meinung mancher Feminist*innen, gar keine Zeit mehr für sich, für Karriere, geschweige denn für Feminismus.
In dieser Debatte wird die Mutter allzuschnell degradiert zu einer Frau zweiter Klasse. Ihr wird vorgeworfen, dass sie sich mit der Geburt in die finanzielle Abhängigkeit ihres Partners begeben hat. Falls sie nicht nach dem Mutterschutz sofort wieder arbeitsbereit ist oder sich bewusst für die Kindererziehung entscheidet, wird sie zum Erzfeind des Feminismus stilisiert. Zu einer Frau, die nicht nur Opfer des Patriachats ist, sondern sich ihm anbiedernd an die Brust geworfen hat. Dass Wahlfreiheit auch Wahl zum sogenannten „Hausfrauensein“ bedeutet, geht in den Weiten der Debatte verloren. Die Anerkennung dieser 24-Stunden Dauerbelastung ohne Lohnausgleich erst recht. Ein Hohn muss es für diese Mütter sein, wenn für „Frauenrechte“ gekämpft wird und sie dabei von der einen Seite als Frauenideal vorgeführt, von der anderen als Inkarnation der „Nicht-Frau“ verteufelt wird.
Immer diese Mütter
„Immer diese Mütter“, murmelte meine Kollegin vor ein paar Jahren, als ich sie bei der Verabschiedung drückte. Immer diese Mütter mit ihren Belehrungen und ihrem Kümmern, ihren Kuchenrezepten und Terminen. Ihre kinderlosen Kolleg*innen meckern, dass sie nachmittags die Kinder aus der KiTa holen muss und zu den Schulferien Urlaub nimmt, dass sie Kinderkrankheitstage beansprucht und während der Arbeitszeiten von den Kindern angerufen wird. In der Straßenbahn oder dem Zug wird mensch mit Kinderwagen zum Reisenden mit Zeit. Teresa Bücker von Edition F twitterte diese Woche, dass sich Menschen an ihr vorbeigedrängt hätten, als sie mit dem Buggy in den Aufzug wollte, so dass sie nicht mehr hinein gepasst hat. Dahinter steht die Annahme, dass Mütter ja ohnehin Zeit hätten, aber mit Sicherheit keinen Zeitdruck. Sie verwöhnen die Bagage, rennen den Kinderwünschen hinterher und sicherlich bringen sie dem Göttergatten nach dessen hartem Arbeitstag das Bier und die Pantoffeln ans Sofa. Mit vier Kindern ist mir so ziemlich jedes Vorurteil gegen Mütter schon einmal in die Quere gekommen. Was die Mutterschaft aber sicher nicht gemacht hat ist, mich vom Feminismus fern zu halten.
Menschen, die laufen können, und den Aufzug füllen und dich mit Buggy und Kind davor stehen lassen. Werd ich nie verstehen.
— teresa bücker (@fraeulein_tessa) February 19, 2019
Im Gegenteil. Wo andere zuschauen, empört den Kopf schütteln ob dieser Ungerechtigkeit und deswegen protestieren, Sexismus auf der Arbeit, unter Freunden, beim Ausgehen oder auf der Straße erleben und sich darum engagieren, spüren wir Mütter ihn im Kleinen. Wenn unsere Männer bewundernd gelobt werden, dass sie neben der Arbeit auch noch Kinder haben und wir skeptisch betrachtet werden, weil wir neben den Kindern noch arbeiten. Wenn sich auf den Elterntreffen Männer und Frauen gruppieren und es hier plötzlich um die Arbeit und dort nur noch um Rezepte geht. Wenn jemand uns sagt, jetzt, mit Kind, hätten wir ja endlich etwas zu tun, wären da angekommen, wo wir richtig sind und überhaupt, sei das doch die Erfüllung und alles andere bräuchten wir nicht wirklich. Wer als weiblich gelesene Person mit Kind arbeiten gehe, hätte ohnehin besser gar keine bekommen sollen, diese Rabenmütter. Und wehe, wir bleiben zu Hause, dann sind wir ja nur faule Dinger, die sich hinter ihren Kindern verstecken.
Mütter müssen Feminist*innen sein!
Mütter, vielleicht eine steile These, müssen Feministinnen sein. Meine Großmutter erzählte mir noch während meiner ersten Schwangerschaft, sie habe immer nur Söhne gewollt (und auch bekommen), weil die ja alles dürften – Mädchen aber müssten immer nur. Wer einen Sohn bekommt, bekommt die Glückwünsche zum „Stammhalter“ kostenlos dazu. Ein Sohn, der Vater hats drauf, gut gemacht. Mütter müssen Feministinnen sein, weil sie tagtäglich gegen solchen Unsinn angehen. Sie bestärken ihre Töchter, wenn sie Fußball spielen wollen, und lassen ihre Söhne Röcke tragen. Als alle Mädchen zu Fasching in Prinzessinnenkleider gesteckt wurden, kam meine Tochter im Drachenkostüm. Wir protestieren, wenn jemand die Welt in Rosa und Hellblau einteilt. Mütter sind Feministinnen, damit ihre Kinder Sexismus schon aus der Ferne riechen.
„Die Serie ist voll blöd, da kommt nur ein Mädchen vor“, erzählte mir mein Zehnjähriger kürzlich. Weil er schon merkt, wenn Medien die Welt verzerren. „Meine Freundin sagt immer, Mädchen dürften das nicht, aber das stimmt gar nicht“, sagt seine fünfjährige Schwester, die längst die Nase voll hat, dass ihr jemand vorgibt, sie sei weniger wert. Und der Vierjährige hat noch nicht begriffen, dass die meisten Menschen unserer Gesellschaft irritiert sind, wenn er ein Kleid anhat. Dass ich Feministin bin, hat meine Kinder sensibler für Ungerechtigkeiten gemacht, freier in ihrem Selbstbild und auch zu kleinen Feminist*innen. Sie tragen den Kampf gegen die Ungerechtigkeit in den Kindergarten, in die Klassenzimmer, zu ihren Freunden und ihren Eltern. Mütter müssen Feministinnen sein, denn sie helfen dem Feminismus wachsen, wie es nur wenige können. Vielleicht können sie nicht auf jede Demo und sind um 19:00 mit Stillen beschäftigt, dem Patriachat in die „Falle“ gegangen sind sie deswegen ganz bestimmt nicht.