Beziehungsstatus: Es ist kompliziert.
[Triggerwarnung: Sexuelle Belästigung, Nazis, Rassismus, Sexismus (-relativierende Bloggende)]
Meine erste Buchmesse war die Frankfurter Buchmesse 2012. Ich bin begeistert herumgelaufen, hatte vermutlich Augen groß wie Wagenräder und fing an, das ganze Jahr für die nächste zu sparen. Ich bin zwischen Bücherregalen voll Büchern, die ich mir nicht alle leisten konnte, herumgerannt, habe Vorbilder und Hassbilder unter den Autor*innen meines eigenen Regals live erlebt und natürlich mein gesamtes Buch-Umfeld damit genervt, dass sie alle unbedingt mit mir dorthin kommen müssen.
Mehrere Male habe ich nahe Menschen, sowohl Partnerpersonen als auch Freund*innen, auf eine Buchmesse mitgenommen und konnte bei ihnen erleben, wie ihre Augen so groß wurden, sie begeistert einfach nur die Gänge entlanglaufen und sich alles anschauen wollten. Wie sie irgendwann dann auch andere Freund*innen und Bekannte von mir trafen und sich meistens auch gern mochten. Das Gefühl bei mir, verschiedene Welten meines Umfelds zu verbinden, einfach darüber, dass alle Beteiligten so froh waren, an diesen Orten zu sein.
Später wurden die Messen dann auch Orte, an denen ich mein neues Umfeld getroffen habe. Lauter tolle Menschen, erst Lesende, dann Bloggende, und immer gab es viel Connecting und viele Gemeinsamkeiten – und noch mehr als vorher wurden die Buchmessen für mich ein wundervoller Ort der seltenen Bestätigung, dass ich nicht allein in meinen Interessen war.
Aber das alles sind eben nur gute Erinnerungen an die früheren Buchmessen. Und das alles war, bevor ich weiter politisiert wurde.
Die Messe-Organisation und die Rechten
Letztes Jahr war ich zum ersten Mal auf einer Demonstration auf einer Buchmesse. Erst dann bin ich richtig in die Diskussionen um rechte Verlage auf den Messen aufmerksam geworden – und ich bin immer noch erschrocken, dass ich es vorher als durchaus auch politische, wenn auch eher grüne als linke Buchperson, überhaupt nicht mitbekommen habe.
Und ab diesem Zeitpunkt waren Messen für mich nur noch auszuhalten, wenn ich mir vorher angesehen habe, wo die Nazis stehen, damit ich nicht zu nah an ihnen vorbeilaufe. Wenn ich wusste, wann welche Veranstaltungen mit wichtigen Nazis waren, damit ich mich fernhalten konnte. Wenn ich einen Notfallplan hatte und mir vorher angesehen hatte, an wen ich mich als Presse für Hilfe wenden konnte – weil ich wusste, dass eine Reaktion für Presse schneller erfolgen würde als für Besuchende.
Der Gedanke, dass die Buchmessen eigentlich Nazis als Ausstellende und Besuchende einfach nicht dulden könnten, kam peinlich spät auf. Vielleicht, weil ich die Buchbranche einfach auch immer als konservativ und damit leider mehr oder weniger rechtsoffen gesehen hatte. Aber auf einmal kamen mit den Jahren ganz andere Sorgen und Vorbereitungen dazu: Ich will diesen linken oder diesen antifaschistischen Button oder Aufdruck auf jeden Fall reinbekommen. Wie kann ich den verstecken? Er soll nicht konfisziert werden, wenn andere mit ihren rechten Aufdrucken aufs Gelände kommen. Sollte ich mir ernsthaft überlegen, Pfefferspray mitzunehmen? Es ist auf dem Gelände verboten, aber wenn ich mich an den unsicheren Tagen trauen wollte, zu protestieren…
Ganz abgesehen davon, dass Buchmessen für mich leider auch immer wieder ein Jahreshoch an sexueller Belästigung sind. Ja, ich laufe ab und an im Cosplay dort herum, aber das sollte verdammt nochmal kein Grund für irgendwas sein. Tatsächlich passiert auch immer wieder Scheiße, wenn ich nach Panels Fragen stelle: Wenn ich das Mikro dafür zwar gehalten bekomme, aber dann meine Hand daran auch nicht losgelassen wird. Wenn ich dann noch geduzt und als „Mädel“ bezeichnet werde, aber mir nach Ende der Fragerunde noch zugezwinkert werden muss. Wenn ich dann weitergehe und jemand aus dem Publikum mir noch irgendetwas sagen muss und ich plötzlich doch wieder Visitenkarten mit Telefonnummern bekomme. Manchmal ist es ironisch, dass ich mich ins Pressezentrum von alter weißer cis Männer verziehe, wenn ich mal Ruhe will – denn da sitzen wenigstens alle mit ihrem Laptop oder in unglaublich wichtigen Gesprächsrunden™ herum.
Die Buchbubble™ und die eigenen Reihen
Dazu kam, dass meine Rückzugsorte nicht mehr dieselben sind. Ich hatte lange das Ziel, in diese wunderbare „Buchbubble“ aufgenommen zu werden – auch mehr Reichweite zu haben, mehr Menschen meine geliebten Bücher zeigen zu können, mehr an dieser vielgelobten allgemeinen Vernetzung teilhaben zu können. Und irgendwann letztes Jahr fing es auch an, dass ich mehr Menschen kannte, die mich auch wiedererkannt haben, die mich zu Treffen in Gruppen mitgenommen haben, und mit denen ich gemeinsam Vorträge besucht habe.
Damit kam leider auch dazu, dass ich Bloggende kennenlernte, die mir vor allem von rechtsrelativierenden oder rassismusrelativierenden Aussagen bekannt waren. Und feststellte, dass das anscheinend dazugehört, zumindest für viele (vom Sexismus wissen wir das ja ohnehin bei einigen Menschen, hust, Typen aus der gesamten Buchbubble). Gerade im Hinblick des allgemeinen Rechtsrucks um uns herum, aber auch einfach an sich hat mir das dieses Ziel erstmal für nichtig erklärt.
Bloggen und Verantwortung
Es gibt aber auch einige tolle Menschen in dieser Bubble. Und ich glaube, wir werden es nötig haben, uns zusammenzuschließen. Die Frankfurter und Leipziger Buchmessen sind groß und sie werden zumindest erst einmal die prägenden Events der Literaturlandschaft bleiben. Als Bloggende haben wir Reichweite und damit die Verantwortung, die aus dieser Macht kommt.
Ich war Ende letzten Jahres überzeugt, dass ein Breakup mit den beiden großen Messen die einzige Lösung ist. Einfach nicht wieder dorthin gehen. Aber ich habe mich umentschieden. Wir sind mehr, als wir glauben. Und irgendjemand muss anfangen. Daher: Ich sehe meine Überlegungen immer noch als Trennung von den Buchmessen, wie ich sie einmal gesehen habe. Es wird Zeit für etwas Neues. Es wird Zeit, dass wir als Bloggende unsere Macht nutzen und den rechten Tendenzen der Buchmesse etwas entgegensetzen.
#keinfussbreit