Begriffserklärungen:
Frauenwahlrecht = feststehender, historischer Begriff.
Im weiteren Verlauf des Artikels geht es bei dem Begriff „Frauen“ um alle, die von frauenfeindlicher Politik betroffen sind.
Die Geschichte um Wahlrechte für Frauen und die Frauenquote in der Politik ist sehr binär.
Der Artikel zeigt deshalb auch klar Probleme auf, die heute noch existieren für Menschen, die sich nicht binär einordnen (zusammengefasst in LGBTQIA+ und queeren Themen).
cis: Alle Menschen, die nicht trans sind
trans: Alle Personen, deren (Geschlechts-)Identität nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt
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Am morgigen Sonntag finden die Europawahlen* statt. Nein, nicht der Eurovision Song Contest, der war letzte Woche. Die Wahlen des Europäischen Parlaments sind gemeint. Das Parlament ist neben dem Rat der EU das wichtigste gesetzgebende Gremium für alle Mitgliedsstaaten. Anders als in Luxemburg und Belgien, gibt es in Deutschland keine Wahlpflicht. Deswegen ist die Beteiligung der deutschen Wahlberechtigten seit Jahrzehnten gesunken. Zuletzt 2014 lag sie bei lediglich 48,1 Prozent.
100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland – und wie sieht der Rest in Europa aus?
Auch der Anteil von Frauen im Europaparlament ist vergleichsweise niedrig. Nur 36% der Abgeordneten sind weiblich. Aber Moment, das kann ja auch nur daran liegen, dass andere Länder eben weniger Frauen nach Brüssel schicken. Kann. Allerdings hat auch Deutschland genau 36% erreicht. Die meisten weiblichen Abgeordneten stellt übrigens die SPD mit 13 von 27. Die Grünen und auch die Linke schickt allerdings mehr als 50% Frauen ins EU-Parlament. Dass es gefeiert werden muss, wenn deutsche Parteien ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis präsentieren, ist eigentlich zum Weinen. Immerhin können in Deutschland bereits seit 100 Jahren Frauen wählen – und gewählt werden. Hundert Jahre, in denen jeder Schritt nach vorne hart erkämpft werden musste. Dabei war Deutschland damit fast schon ein Vorreiter in Europa. Nur in Finnland (1906) und Norwegen (1913) wurde das aktive Frauenwahlrecht früher eingeführt, sonst sah es eher mau aus. 1915 kamen Estland und Island dazu, 1917 Lettland. Österreich und Polen waren genauso schnell wie Deutschland. Klingt doch erst mal gut, oder? Bedeutet aber auch, dass unser Nachbarland Frankreich später dran war (erst 1944), Italien kam 1946 dazu, die Schweiz bildete 1971 noch nicht mal das Schlusslicht. 1984 führte Lichtenstein das Frauenwahlrecht ein. 35 Jahre ist das her.
Wahlrecht – mit Alterseinschränkungen
Auch wenn in Deutschland das allgemeine Wahlrecht gilt, gibt es dennoch Einschränkungen. So darf in Deutschland nur wählen, wer einen deutschen Pass hat bzw. bei der Europawahl, wer einen gültigen Pass der EU hat. Das Mindestalter, um wählen zu dürfen. beträgt 18 Jahre. Es gibt zwar immer wieder Bestrebungen, das Mindestalter auf Bundesebende auf 17 oder 16 herabzusetzen, allerdings verliefen alle Versuche bisher im Sande. Eins der Totschlagsargumente ist die angebliche Unreife der Teenager und die vermeintliche Unfähigkeit, die Tragweite Ihrer Wahlentscheidung abschätzen zu können. Auf kommunaler Ebene dürfen Jugendliche in einigen Bundesländern wie Niedersachsen und NRW ab 16 Jahren bereits wählen, eine einheitliche Regelung für die Bundesländer gibt es aber nicht.
Weitere Ideen, das Wahlrecht zumindest auf kommunaler Ebene abzuändern, also für Städte und Kommunen, umfassen etwa das Wahlrecht für alle ortsansässigen Bürger*innen, unabhängig ihrer Staatsangehörigkeit. Doch auch hier wurden die Versuche immer wieder gestoppt.
Ein Schritt vor, zwei zurück, wenn es um Marginalisierte geht
Dass der Anteil an Menschen mit Uterus im Europaparlement eine Minderheit ist, macht sich in den Regelungen bemerkbar. Zum Beispiel ist im EU-Staat Malta Abtreibung noch immer verboten, in vielen anderen Ländern steht das Thema wieder zur Debatte. Sei es wegen populistischer Parolen oder wegen Gesundheitsminister*innen, die glauben, noch eine Studie zu den psychischen Auswirkungen von Abtreibungen könne die patriarchalen Sichtweisen erhärten. Nun kann man natürlich argumentieren, dass es auch konservative Frauen und Personen, die gebären, gibt, die sich für ein Abtreibungsverbot einsetzen. Allerdings steht die Chance, dass sich Menschen mit Uterus mehrheitlich für Reproduktionsrechte, Gleichberechtigung und das Recht auf Selbstbestimmung einsetzen deutlich höher, als wenn weiterhin cis Männer über Aspekte des Lebens entscheiden, die sie nicht ansatzweise betreffen. Und die sie nicht auch nur im Entferntesten angehen.
Nicht nur beim Thema Abtreibung, auch in Sachen Identitätsgleichstellung ist noch viel zu tun. Die Möglichkeit, einen zusätzlichen Geschlechtseintrag im Pass zu tragen (oder ihn ganz wegzulassen), die sog. dritte Option, ist zwar in Deutschland seit Ende letzten Jahres gegeben, europaweit sieht das noch anders aus. Und von den Rückschritten, die in Deutschland aktuell gegenüber trans Menschen gemacht werden, später mehr. Es ist einfach beschämend und grotesk, dass die konservativen Meinungen hier so viele Existenzen unterdrücken.
Genauso grotesk ist die Tatsache, dass die Wahl vielerorts nicht barrierefrei ist – manche Wahllokale sind noch nicht einmal mit einem Rollstuhl zugänglich. Hier muss also immer eine aufwändigere Lösung her, sei es Briefwahl oder das Wählen in einem anderen Wahllokal. Hier liegt es vor allem an lokal- und bundespolitischem Einsatz, Barrieren abzubauen und es Menschen mit Behinderungen nicht noch schwerer zu machen, ihr demokratisches Recht wahrnehmen zu können.
Einige Auflagen zum Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen und Betreuungen (ca. 80 000 Menschen in Deutschland von betroffen) wurden Mitte April zwar gekippt, aber die Änderungen treten natürlich erst nach der Wahl in Kraft – ein Eilantrag für die Europawahl auf Wahl ist gestattet, aber in der Realität zeitlich kaum durchführbar.
Auch Menschen, die dauerhaft in Europa leben, in der EU Steuern zahlen, aber keinen europäischen Pass haben, sind von der Europawahl ausgeschlossen. Zum Vergleich: in 15 der 28 EU-Staaten (nicht in Deutschland) dürfen Ausländer*innen aus Drittstaaten zumindest kommunal wählen; in Neuseeland sind politische Wahlen sogar gar nicht an die Staatsbürgerschaft geknüpft. Man muss lediglich seit 2 Jahren dort wohnen und im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung sein.
Unser Parteien-Check mit besonderem Blick auf marginalisierte Gruppen
Zur Europawahl 2019 lassen sich in Deutschland 41 Parteien und politische Vereinigungen wählen. Hier können wir, ob dieser Kennzahl, nicht alle zur Wahl antretenden Wahlprogramme analysieren. Wir haben uns deswegen die Parteien rausgesucht, die inhaltlich relevant sind oder derzeit am meisten medial im Gespräch sind – sei es durch Plakatkampagnen, YouTube-Videos oder Aufsehen erregende Propaganda.
- CDU/CSU: Hier lohnt sich das Video von dem Musiker Rezo zu schauen: https://www.youtube.com/watch?v=4Y1lZQsyuSQ – auch, wenn die aufgeführten Fakten nichts Neues sind und nur an Popularität gewonnen haben, weil einmal von einem weißen, jungen Mann alles sprachlich einfach und jugendlich zusammen gefasst, trifft es doch den Kern der Sache: die CDU/CSU hat in den letzten Jahren viel unternommen, um Reiche zu stärken, Arme noch ärmer werden zu lassen, die Klimapolitik außen vor zu lassen und lieber wirtschaftlich zu denken als an die zukünftigen und nachfolgenden Generationen. Zudem hat die CDU abgelehnt, das Wahlrecht von Migrant*innen zu stärken, so dass sie in Deutschland ohne entsprechenden Pass immer noch an keiner Wahl teilnehmen dürfen (s.o.).
- SPD: Neben dem, was im Rezo-Video über die SPD bereits Anklang findet, gibt es gerade einen sehr aktuellen Grund die SPD nicht zu wählen, wenn es um marginalisierte Gruppen geht: Katharina Barley, aktuelle Justizministerin und Kandidatin für das EU-Parlament, ist verantwortlich für den neuen TSG-Entwurf (Transsexuellengesetz), der u.a. Ehepartner*innen mit in eine mögliche Personenstandsänderung einbeziehen soll. Wird der Antrag auf eine Namens- und Personenstandsänderung abgelehnt (sei es durch den Einspruch der Partner*innen oder aus anderen Gründen), müssen Betroffene drei Jahre warten, um einen neuen Antrag stellen zu können. Gegen diesen Entwurf gibt es mehrere Petitionen, u.a. die von Change.org mit inzwischen knapp 30k Unterzeichner*innen. – Statt mit Betroffenen einen Dialog und eine Verbesserung des TSG anzustreben, stellt Katharina Barley trans Menschen nun vor vollendete Tatsachen.
- Bündnis 90/Die Grünen: Die Grünen bekommen aktuell vor allem Zulauf von Menschen, die aktiv etwas gegen den Klimawandel tun und wollen, dass auch die Regierung(en) dementsprechend handeln. Auch in puncto Feminismus stellen sich die Grünen auf. Kostenloser Zugang zu Verhütungsmitteln und eine klare Absage an Abtreibungsgegner*innen (wenn auch keine europaweite uneingeschränkte Legalisierung) sind erste Schritte in die richtige Richtung. Auch europaweite Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen und eine einfachere Lösung bei Personenstandsänderungen stehen im Wahlprogramm. Ob der Feminismus angesichts der durchaus wichtigen Umweltfragen am Ende jedoch zurückstecken muss, ist noch offen. Spannend ist vor allem der Imagewandel der Partei: Stand sie zur Gründung anfangs erst für Turnschuhe im Bundestag und ein gewisses Öko-Image, das damals keiner ernst nahm, machte sie später Reden von Verharmlosung und sogar Legalisierung von Pädophilie (die Fälle um alle Betroffenen wurden in den 2000ern aufgeklärt und aufgearbeitet). Nun wandelt sich die Partei zu einer souveränen, liberalen und umweltbewussten Partei, die für viele die einzige wählbare Alternative zu den bisher großen Parteien geworden ist.
- FDP: Die Freie Demokratische Partei stand lange für liberale Werte, hat sich aber durch zahlreiche Aktionen selbst ins politische Aus manövriert. Die Leitfigur Christian Lindner verkörpert das, was die Partei inzwischen geworden ist: Hauptsache, die Wirtschaft im Fokus und die Zahlen stimmen. Hinzu kommen politische Manöver wie einen Bericht zu Frauenrechten lediglich zu erweitern und zu meinen, damit eine Rechtsgrundlage zu schaffen, um Diskriminierungen zu vermeiden, würde ausreiche. Das ist nicht mehr zeitgemäß und vertritt im Großen und Ganzen hauptsächlich die Interessen alter weißer Männer. Auch sonst glänzt die FDP nicht gerade mit Fortschrittsgedanken. Die aktuelle Fridays-For-Future-Bewegung wurde scharf kritisiert und ein Monday for Economy gefordert. Die Interessen junger Menschen und/oder marginalisierter Gruppen werden mit so einer Kampagne natürlich nicht mal ansatzweise ernst genommen.
- Die Linke: Einer der noch jüngeren Parteien, die 2007 aus der PDS und SPD-Abspaltung WASG entstand, schreibt sich den Feminismus durchaus auf die Fahne. Das Wahlprogramm fordert eine soziale Absicherung aller Frauen und thematisiert den Gender Gap. Sexuelle Selbstbestimmung wird ebenso gefordert, wie das Recht auf Abtreibung. Leider bleibt die Linke in Bezug auf LGBTQIA+s (queere Themen) vage. Sie werden als Gruppe genannt, die es zu unterstützen gilt, konkrete Ideen fehlen. Ausgerechnet im Bezug zur EU glänzt die Linke aber nicht mit gelungenen Vorschlägen. Ihre Kritik am europäischen Verbund wurde zunächst als „Veriss“ bezeichnet, obwohl ihre Wählergruppe durchweg proeuropäisch ist. Zumindest legt die kontroverse und kritikbehaftete Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht ihr Amt voraussichtlich im Juni nieder und macht den Weg für eine Erneuerung frei.
- Partei der Humanisten: Humanistische Wertvorstellungen sind grundsätzlich nicht zu verurteilen, weshalb sich ein Blick auf die Partei lohnt, die eben selbige vertritt. Geht es im Humanismus oft um bestmögliche Persönlichkeitsentfaltungen und Optimismus, die auf anthropologischen (menschenkundigen) Glaubenssätzen basieren, fällt vor allem eins schon bei der Partei-Website auf: frauen- und queerfreundlich ist da nichts. Die Partei ist männerdominiert und alle Formulierungen sind im generischen Maskulin gehalten – „Frauen sind mitgemeint“ ist keine Grundlage für eine Politik für Frauen oder andere marginalisierte Gruppen. Außerdem fordert die „rational liberale Partei der Moderne“ zum Beispiel eine staatliche Finanzierung der Seenotrettung, die durchzusetzen noch Jahre und viele Tausende Leben kosten könnte und erinnert mit dem ganzen Wahlprogramm mehr an eine FDP 2.0 als an eine neue, eigenständige Partei.
- Piratenpartei Deutschland: Auch, wenn Julia Reda als Europaparlamentarierin sehr gute Arbeit geleistet hat und sich u.a. sehr für digitale Themen wie die EU-Urheberrechtsreform eingesetzt hat, verlässt sie nun selbst für ihre Dissertation am MIT (Massachusetts Institute of Technology) das Europaparlament. Dass sie selbst allerdings zusätzlich auch aus der Piratenpartei ausgetreten ist und nicht mehr zur Wahl steht, liegt an ihrem Kollegen Gilles Bordelais. Im November 2018 wurde bekannt, dass er Frauen und Kolleg*innen (sexuell) belästigt haben soll. Bordelais weist die Kritik von sich und stellt sich, entgegen auch den eigenen Parteiwünschen, wieder zur Wahl auf. Ein absolutes No-Go. Zudem macht die Piratenpartei immer wieder Reden von sich, in dem sie sexistische Werbekampagnen fährt – z.B. mit dem Spruch „Lieber Möpse statt Quote„, die natürlich Partei-Interna nur unterstützen und nicht klar zurückweisen.
- Die Partei: Die Satire-Partei unter Martin Sonneborn (arbeitete u.a. journalistisch für das Magazin Eulenspiegel und Titanic) erfreut sich großer Beliebtheit, gerade unter Protestwähler*innen und Linken, die sonst vielleicht gar nicht wählen würden. Seit 2014 sitzt Sonneborn stellvertretend für die Partei im EU-Parlament (Anmerkung: bei den Europawahlen gibt es keine 5%-Hürde, so dass kleine Parteien durchaus eine Chance haben im Europaparlament vertreten zu sein). Schon vor 5 Jahren kündigte er an, bei Abstimmungen immer im Wechsel für „ja“ oder „nein“ zu stimmen. Das setzte eine extrem vorausschauende Arbeit voraus, die ihm bereits letztes Jahr auf die Füße gefallen ist, als es um die Abstimmung einer „Heilung gegen Homosexuelle“ ging und er selbige befürwortete . Seit dem der Wahlkampf begonnen hat, leistete sich Die Partei darüber hinaus noch weitere queerfeindliche, ableistische und grenzwertige Patzer in der Wahlkampfkommunikation, die mit Satire nicht zu entschuldigen sind. Satire ist vor allem etwas, das an höher gestellten Persönlichkeiten verübt werden kann. Aber Satire sollte niemals nach unten treten und Marginalisierte noch weiter unterdrücken und das Lustigmachen über selbige noch bestärken. Für 2019 schickt Die Partei neben Martin Sonneborn noch Nico Semsrott (Poetry-Slammer und Satiriker) als Kandidaten ins Rennen, der auf der Tincon (größte Jugendkonferenz Deutschlands im Mai 2019 in Berlin) auf die Frage, warum es keine Frauenquote in der Partei gäbe und warum sie keine Frau, sondern zwei Männer ins EU-Parlament schicken würden, keine Antwort geben konnte. Dass sie Frauen in ihrer eigenen Partei haben, die auch für die EU-Wahl aufgestellt sind, wusste er offensichtlich nicht.
- Feministische Partei Die Frauen: Auf den ersten Blick könnte das doch unsere Favoritin sein, oder? Die Partei wurde 1995 gegründet und ist aus einem westlich europäisch geprägten Feminismus hervorgegangen. Die Frauen verstehen sich sowohl als eine Bürgerinnenrechtsbewegung als auch eine Identitäts- und Befreiungsbewegung. Auch hinsichtlich der parteiinternen Organisation setzt die Partei auf feministische Grundstrukturen, die sich durch partizipative Beteiligungsverfahren und durch Beschlüsse im Konsensverfahren ausdrückt. Von der Europapolitik fordert die Partei eine Umgestaltung der europäischen Institutionen, indem beispielsweise die Gesetzgebungskontrolle von der Kommission auf das demokratisch legitimierte Parlament verschoben werden soll. Die Repräsentation von Frauen soll einem prozentualen Abbild der Bevölkerung entsprechen. Schaut man sich das Parteiprogramm jedoch etwas genauer an, fällt auf, dass weder „queer“ noch „LGBTQIA+“ auftaucht. Lediglich die Gruppe der Lesben erhalten einen eigenen Unterpunkt, der fordert, dass die Rechte von Lesben als Alleinlebende, als Paare und in Wohngemeinschaften gestärkt werden. Es bleiben also gerade in queerpolitischen Angelegenheiten viele Fragen offen. Zumindest in einem Kommentar unter ihrem Wahlwerbespot heißt es: „Wir fordern gleiche Rechte für Alle, unabhängig von Herkunft, Identität, sexueller Orientierung etc.“ – Die kontinuierlich niedrigen Wahlergebnisse zeigen allerdings ein Problem auf: Hier geht es nur um Frauen. Seit dem es ein Wahlrecht für Frauen gibt, gab es immer wieder Bestrebungen nach Parteien, die nur aus Frauen bestehen und eben ihre Rechte vertreten. 2019 ist das aber leider nicht mehr zeitgemäß und ein Blick auf die Politikerinnen in der Partei bestätigt die Annahme, dass es hier vor allem um die Agenda älterer Menschen zu gehen scheint. Den Frauen fehlt es etwas an frischem Wind und umfassenden politischen Interessen, in denen sich viele Frauen nicht mehr wiederfinden können.
Rechte und Neonazi-Parteien, die offen transfeindlich sind und Frauen am liebsten hinterm Herd wissen – seien es die AfD, NPD oder Der Dritte Weg – sind hier nicht weiter aus eben den genannten Gründen weiter analysiert.
Sicherlich muss auch noch unterschieden werden, was politisch in Deutschland, auf Bundes- und auf Europaebene in Brüssel passiert. Allerdings ist dabei zu beachten, dass sich die zur Wahl stehenden Parteien natürlich nicht mit ihrer Kernkompetenz und Tonalität um 180 Grad drehen werden, nur, weil sie auf europäischer Ebene handeln und nicht mehr nur auf bundespolitischer. Auch ist es schwierig, die Wahl von einzelnen Politiker*innen abhängig zu machen – so funktioniert die Parteiarbeit nicht. Deshalb sind die oben erwähnten Personen nur Beispiele und stehen stellvertretend für die aktuellen Fälle aus den jeweiligen Parteien. Selbstverständlich gibt es noch zahlreiche weitere Personen sowie inhaltliche Beispiele und die einzelnen Wahlprogramme lassen sich alle online ausführlich nachlesen.
Die rechten Parteien auf dem Vormarsch – was kann ich dagegen tun?
Konservative und deutliche Rechte gewinnen derzeit immer mehr Raum für ihre diskriminierenden Meinungen, sei es in Talkshows, auf Social-Media-Kanälen oder Zeitungen und Magazinen. Diese politische Bewegung immer weiter nach rechts kann man schon seit Jahren in Europa beobachten. Manch eine*r ruht sich gerne auf dem Argument aus, dass politische Geschichte immer in Wellen kommt: mal sind die konservativen Kräfte stärker, mal die progressiven und linken. Dies verkennt aber zwei Aspekte: zum einen war die Bewegung hin zu einer linken, offenen, menschenrechtlicheren Bewegung auch immer begleitet von Protesten und Aufständen. Zum anderen sehen wir uns derzeit der größten (weil europaweiten) rechten Wiederstärkung seit Ende des Zweiten Weltkrieges gegenüber. Sich jetzt auszuruhen oder die aktuelle politische Situation aussitzen zu wollen, z.B. in dem man das eigene Wahlrecht nicht nutzt, bedeutet, diesen Luxus auf den Rücken von Marginalisierten auszuleben.
Deswegen: geht wählen, wenn ihr könnt und dürft! Macht euch Gedanken, welche Partei ihr wählt, und wählt nicht „aus Protest“ oder „um es denen da oben mal richtig zu zeigen“ eine rechte Partei.
Wie entscheide ich, wen ich wähle?
Nach einer kurzen, rechtlichen Auseinandersetzung mit der Partei Volt, ist der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung seit 23. Mai wieder online.
Darüber hinaus gibt es u.a. noch den Wahlswiper, der nach dem Tinder-Prinzip funktioniert, You Vote EU und DeinWal . Alle Dienste bieten über verschiedene Mechanismen die Möglichkeiten an, eine eigene Parteitendenz für sich selbst herauszufinden.
DISCLAIMER
„Ich darf und kann nicht wählen“ – Die gar nicht so seltenen Ausnahmen
Der Artikel bezieht sich auf die derzeitigen Wahlmöglichkeiten zur Europawahl 2019. Natürlich ist es aber ein Privileg in Deutschland und auch den anderen europäischen Staaten zu wählen. Nicht jede Person ist wahlberechtigt oder hat die Möglichkeit (frei) zu wählen. Dazu zählen Menschen
- die keinen europäischen Pass besitzen (aber schon jahrelang in Deutschland oder anderen EU-Ländern wohnen)
- die sich nicht als Deutsche/Europäer*innen fühlen, weil sie sich in Parteiprogrammen nicht wiederfinden, wie dieses aktuelle Beispiel einer Black Woman of Color zeigt
- die um ihre VÄ und PÄ (Namens- und Personenstandsänderung) vor Gericht kämpfen und deren Name nicht mit dem im Ausweis genannten übereinstimmen
- die auf Assistenzen und Betreuungen angewiesen sind, aber nicht die Möglichkeit haben, rechtzeitig zu wählen, weil jede Antragstellung für die neuen Regelungen zu spät kommt
- die in einer übergriffigen Beziehung leben und zu einer Wahl gedrängt werden; insbesondere bei Briefwahlen lässt sich natürlich nicht überprüfen, ob Wahlscheine selbst/aus eigener Überzeugung ausgefüllt wurden.
- die das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Angesichts der Fridays-For-Future-Bewegung ist diese Regelung schlicht nicht mehr zeitgemäß.
Deshalb gilt: Sprecht mit den jungen Personen, mit denen, die hier keine Wahlmöglichkeit haben, aber auch gerne eine Stimme hätten. Hört ihnen zu und fragt sie, welche Partei sie wählen würden. Und respektiert Menschen, die nicht wählen gehen können. Es ist nicht nur Faulheit oder Verdruss, der Menschen nicht (mehr) wählen lässt, sondern es gibt einige gesetzliche und emotionale Gründe, die den Gang zur Wahlurne erschweren oder eben ganz verweigern.
Der Artikel ist ein Autorinnen-Gemeinschaftsprojekt und wurde verfasst von:
Lara, Mari, Daniela und Eva-Maria