Als Jugendliche war die Sache ziemlich einfach. Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich gehört habe, dass doch alle Frauen irgendwie bisexuell wären. Immerhin seien angebliche Frauenkörper ästhetischer und keine Ahnung, welche fahlen Argumente dabei noch zu Tage kamen. Kaum jemand von uns hat sich wirklich Gedanken gemacht, was Bisexualität bedeutet. Viele andere Begriffe wie Pansexualität waren uns schlicht unbekannt und wir suhlten uns in dem jugendlichen Verständnis der Welt, das von sich behauptet, alles schon zu wissen.
Statistisches Wirrwarr
Eine Studie der Destasis ging 2015 von 5% Bisexuellen in Deutschland aus. Andere Studien sprechen von höheren Werten, eine britische Studie im selben Jahr sprach beispielsweise von 19%. Gleichzeitig hält sich die Behauptung hartnäckig, Bisexualität sei eine vornehmlich weibliche Eigenschaft. 82% aller Frauen sollen bisexuell sein, wenn man Studien vertraut, die allein auf Reaktionen beim Betrachten von Videos vertrauen. Dabei wird Bisexualität auch schnell binär gedacht, dabei bedeutet die Zuneigung zu zwei Geschlechtern nicht zwangsläufig, dass damit die westlich-traditionellen Vorstellungen von cis Mann und cis Frau gemeint sind. Es ist auch nicht zwanghaft so, dass das eigene Geschlecht zu diesen beiden Geschlechtern gehört, auch wenn das vom persönlichen Verständnis des Begriffes abhängt. Tatsächlich ist das Problem, dass Bisexualität schnell unsichtbar gemacht wird. Leben bisexuelle Menschen in gemischtgeschlechtlichen, Partnerschaften, werden sie nicht mehr als bisexuell wahrgenommen.
Destasis gibt an, dass 2017 über 80% aller befragten Bisexuellen als heterosexuell wahrgenommen wurden. Eine davon bin ich. Dass ich seit 2012 mit einem Mann verheiratet bin, ändert nichts an meiner sexuellen Orientierung. Doch während mein Umfeld in mir eine Heterosexuelle sieht, werde ich als Bisexuelle auch deswegen bei queeren Gemeinschaften an den Rand gestellt. Immerhin erlebe ich im Alltag scheinbar keine Benachteiligungen. Ich befinde ich mich in einer Grauzone der gesellschaftlichen Akzeptanz. Das heißt aber auch, dass ich nirgendwo wirklich dazugehöre. Wann immer ich meine Stimme für die LGBTQ-Community erhebe, höre ich diese kleine kritische Stimme, dass ich dazu doch gar kein Recht hätte, und trotzdem trifft mich jede Diskriminierung mit.
Selbstbezeichnung: Bisexuell
Das Problem reicht im Grunde tief, denn wann sorgt mein Passing dafür, dass ich untergehe? Wenn auf dem Elternabend in der Grundschule über den Unterrichtsstoff im Fach Sexualkunde gesprochen wird und jemand sich über unterschiedliche Familienentwürfe beschwert und ich zu perplex bin, um etwas zu erwidern? Oder wenn ich einen Post lese, dass jemand behauptet, Bisexuelle in gemischtgeschlechtlichen Beziehungen seien keine richtigen Bisexuellen? Ich war nie in einer festen Beziehung zu einer Frau, zähle ich deswegen nicht? Bisexualität ist doch, wie alle anderen sexuellen Ausrichtungen, eine persönliche Sache. Niemand darf mir reinreden und bestimmen, dass ich wegen diesem oder jenem nicht bisexuell sein kann. Genauso sehr, wie es lächerlich ist, anzunehmen, dass alle Frauen eben irgendwie auch auf Frauen stehen, darf mir nicht abgesprochen werden, dass mich Frauen anziehen.
Sexualität ist immer etwas Privates. Wir können unsere sexuelle Identität nach außen zeigen, aber niemand kann es von uns verlangen. Bisexuell zu sein, gehört zu meinem Leben und ich werde mir das nicht absprechen lassen. Und natürlich ist es jederzeit möglich, dass sexuelle Orientierungen sich ändern. Niemand von uns ist in Stein gegossen. Aber so lange ich bisexuell bin, werde ich mich immer auch der LGBTQ-Community zugehörig fühlen. Wohlgemerkt geht es dabei immer um Selbstbezeichnungen. Ich bin bisexuell, weil ich mich so bezeichne. Dabei können die Grenzen zu anderen Bezeichnungen wie pansexuell oder homosexuell verschwimmen. Vielleicht geht es gar nicht so sehr darum, wie die anderen mich verorten und einordnen. Entscheidend ist in dem Moment mein Verständnis für mich, meine Identität und meine Zugehörigkeit. Ich lebe in einer gemischtgeschlechtlichen Beziehung und ich bin bisexuell.