Schnell Geld machen und erfolgreich sein in jungen Jahren, damit man mit 35 Jahren in Rente gehen kann. Ein Traum, den nicht wenige haben. Auf Youtube wimmelt es von Coaches, die einem DAS Geschäftsgeheimnis verraten und angeblich innerhalb kürzester Zeit zu Millionen verhelfen. Klingt nicht schlecht? Nun ja. Dass Dan Lok, Brian Rose und wie sie alle heißen, nur einen Gewinn im Auge haben, nämlich den eigenen, wurde inzwischen mehrfach gezeigt. Dennoch gibt es immer noch jede Menge (junge) Männer, die mit Drop Shops & Co. hoffen, möglichst bald ihren eigenen Ferrari zu fahren, luxuriöse Appartements zu bewohnen und insgesamt erfolgreich zu sein. Und was gehört noch zum Erfolg eines männlichen Männlichkeitsmannes? Richtig, Frauen.
Die werden allerdings auch eher als Objekte denn als Menschen gesehen, zuweilen sogar als Sklaven, die man(n) käuflich erwerben kann. So zumindest propagiert von Karl Ess und Lorenz Konat, die mit ihrer Instagram Story einen wohlverdienten Shitstorm geerntet haben. Nun sind diese beiden Gestalten vor allem auf Business Coaching spezialisiert, und hört man sich ihre Ergüsse und Nopologies an, sollten sie definitiv nicht noch unter die Dating Coaches gehen. Frauenverachtende Coaches gibt es genug.
Dating Coach Mitrovic: Die Frau als Accessoire
Eine Kombination aus Business und Dating Coach ist Marko Mitrovic von Flirtempire. Er kommt aus der Pick Up Artist Szene, kurz PUA, und damit aus einem misogynen Sumpf, quasi dem Moor des ewigen Gestanks des Frauenhasses.
Mitrovic spricht über Day Game, Night Game und lässt seine Follower live an Flirts teilhaben (wie echt oder rechtlich safe das ist … naja …). Er macht auch Livestreams zum Thema „Traumfrau“ und erklärt, worauf er bei einer Frau achtet. Dass eine Frau, wenn sie keine Sommersprossen hat, sich wenigstens gut welche aufmalen können muss, ist dabei noch das harmloseste. Die Frau an Mitrovics Seite muss „repräsentativ“ sein, er will sich nicht für sie schämen müssen, und sie soll seinen Wert steigern. Quasi wie eine Rolex, aber so direkt nennt er Frauen dann doch nicht Accessoire. Auch Samuel Wohl sagt in einem Video für den Kanal Männlichkeit Stärken, dass Frauen dazu da seien, „aus dir den größten Mann zu machen, der du sein kannst“, und Männer „sind gut, um unserer Frau zu helfen, die größte Königin an unserer Seite zu werden.“ Auch hier wieder Objektifizierung, die Frau als Accessoire an der Seite des Mannes.
Zurück zu Mitrovic. Wichtig ist ihm natürlich auch der Körper. Da Frauen ab 30 körperlich abbauten, müssen sie ergo jünger sein und, Achtung, von der Figur her auf dem Cover von Sports Illustrated erscheinen können. Warum? Wenn sie keinen Model-Körper hat, sehen ihre Nacktfotos und Videos, die sie Mitrovic natürlich schickt, nicht gut aus, „du kannst dir dann keinen keulen“.
In einem anderen Video sagt Mitrovic, dass man auf keinen Fall Frauen daten solle, die beim Therapeuten sind, denn dieser ist Schuld, wenn „sie euch nicht will“. Frauen beim Therapeuten entscheiden seiner Meinung nach nicht selbst, er verstehe sowieso nicht, warum man sich in Therapie begibt.
Verbindung Business und Dating Coaching
Was auffällt, sind die sprachlichen Verbindungen zwischen Business Coaching, Pick Up Artists und Dating Coaches. So gibt es diverse „closes“ in der PUA Szene: Number Close bedeutet, dass man erfolgreich die Nummer einer Frau bekommen hat, Kiss Close, dass man sie geküsst hat. Close in der Business Sprache bedeutet sowas wie „abschließen“, z.B. einen Vertrag oder eine neue Geschäftsbeziehung. Ein anderes Wort, das die PUA Szene der Wirtschafts- bzw. Marketingsprache entlehnt hat und anstatt auf Waren oder Strategien auf Frauen anwendet, ist Target. Nur bezieht sich das hier nicht auf eine größere Zielgruppe, sondern auf eine (unbekannte) Frau, die angesprochen werden soll.
Diese Verbindung von Business und Dating Coaching ist deswegen gefährlich, weil sie veraltete, konservative, natürlich rein binäre Geschlechterrollen in mordern anmutender Sprache reproduziert: cis Männer sind das starke Geschlecht und müssen für die Frauen sorgen können. Diese Annahme ist noch lange nicht ausgestorben, und wurde gerade erst von Lorenz Konat in seiner Nopology veröffentlicht. Frauen haben dafür gut auszusehen und sich für Sex bereit zu halten. Wenn sie nicht wollen, ist das sowieso nicht ihre freie Entscheidung, sondern sie werden von Freundinnen oder der Gesellschaft zurückgehalten, ihre Sexualität auszuleben. [1]
Oder es liegt an ihrem Therapeuten, wie wir bereits gelernt haben.
Zum erfolgreichen cis Mann gehört nach dem Weltbild der Coaches neben beruflichem, finanziellem Erfolg auch der Erfolg bei Frauen. Und „Erfolg bei Frauen“ heißt nichts anderes, als so viele wie möglich flach zu legen. Die PUAs nennen es verführen, manchmal aber auch ganz offen Manipulation (siehe Bild 1).
Estefano d’Elano von Dating Psychologie bewirbt sein Buch „Wie du die Frauen kriegst, die du willst“ damit, dass keiner so vielen Männern in Sachen Dating geholfen habe wie er. Aber auch hier wird „Erfolg bei Frauen“ vor allem mit „Möglichst viel Sex in kurzer Zeit“ gleichgesetzt. Das zeigen die Testimonials auf seiner Seite, die vor allem den schnellen sexuellen Erfolg der Klienten aufzählen („4 Frauen in 14 Tagen“, „Steht kurz vor einem Dreier“, „Sex nach 10 Minuten“, etc.). Zudem spricht auch d’Elano von der einen weiblichen Psychologie, die gerne von PUAs herangezogen wird, aber ein Mythos ist. Die Psychologie, die von PUAs besprochen wird, gründet sich in Manipulation.
Der Möchtegernnachwuchs, der nicht minder gefährlich ist
Die Überzeugung, dass zu einem erfolgreichen Mann nicht nur das Finanzielle, sondern eben auch der Erfolg bei Frauen gehört, vertritt auch Jeremy Speer, Nachwuchs-Dating-Coach auf Twitter und Instagram. Schon in seiner Biografie bei Twitter verrät er durch die Sprache, dass seine Inhalte der PUA Szene mindestens entlehnt sind, wenn nicht sogar 1:1 übereinstimmen. Im September habe ich bereits einige seiner Tweets analysiert.
Jeremy Speer war am 06.10.2020 im Instagram Live Stream von EliasNBK zu sehen, der ebenfalls versucht, mit Online Business das eingangs genannte Erfolgskonzept zu leben. Vornehmlich sollte es um Dating Tipps gehen, hauptsächlich wurde aber vor allem peinliches Pseudo-Alpha-Macker-Gehabe zur Schau gestellt. Jeremy Speer ließ keine Gelegenheit aus, seine Gastgeber, neben Elias NBK war das Bnstian, zu beleidigen oder runterzumachen. Während diese bspw. auf Fragen aus dem Live Chat warteten, auf die sie antworten konnten, meinte Speer, ihnen würde kein geiler Content einfallen. Der vorherige „geile“ Content setzte sich aus misogynen Perlen zusammen wie „Du musst halt gucken… du hast halt auch keine Lust, dein Erbgut unten in eine Kuh reinzupumpen. Wenn du vorher telefonierst, kannst du das abchecken“, und „Hab einfach deinen Spaß und lass sie teilhaben. Dein Spaß steht an erster Stelle.“ Im Livestream wurden Fragen in typische PUA-Sprache beantwortet, wie z.B. „Wie sexuelle eskalieren beim 1. Date?“ und „Wie kann man mit vielen Frauen schlafen?“ Es wird also schnell deutlich, dass Dates nur der Vorwand sind, um am Ende des Tages mit der Frau in den Laken zu landen. Egal wie.
Bevor mir Sexfeindlichkeit vorgeworfen wird: mir ist es schnuppe, wer wie oft mit wie vielen oder wenigen Menschen schläft. Tobt euch aus. Aber es sollte mit Respekt passieren und auf Augenhöhe (zu der kommen wir gleich). So eine manipulierende Kackscheiße, wie die gesellschaftlich anerzogenen Verhaltensweisen von Frauen auszunutzen um sie zu einem Gespräch zu nötigen[2], oder sie „zum Sex zu manipulieren“, wie eben schon erwähnt, ist frauenfeindlich sondergleichen und zeigt, dass die cis Männer, die auf solche Taktiken setzen, kein Interesse an der Frau als Mensch haben, sondern einfach nur eine Gummipuppe mit Herzschlag haben wollen. Willenlos, „lieb und brav und unterwürfig, wie es sich für eine Frau gehört.“[3]
Jeremy Speer schreibt in seinem IG Profil: „Ich helfe dir dabei eine Frau auf Augenhöhe zu finden, ohne dabei viele Rückschläge zu erleiden.“ Da stellt sich zum einen die Frage, wie hoch diese Augenhöhe eigentlich ist, zum anderen, wie ernst er das meint. Die Augenhöhe ist deswegen schwierig, weil er Frauen permanent schlecht macht, sie als minderwertig ohne eigene Interessen und Charakter darstellt, über deren Wünsche und Grenzen er sich einfach hinwegsetzen kann (s.u.). Zum Hintergrund dieser Story: in einer vorangehenden Story schubst Jeremy Speer seine Freundin ziemlich heftig nach vorne. Danach erklärt er in den nachfolgenden Story-Slides, dass er die Grenzen seiner Freundin überschreitet, „weil er es kann“, und beschreibt dieses Verhalten, diese, ich kann es nicht oft genug betonen, Grenzüberschreitung als Nahrungskette, als Unterhaltung, die ein Menschenrecht sei.
Nun mag man sagen, dass diese genannte Grenzüberschreitung harmlos sei, ein Streich. Mag sein. Aber ein Nein ist ein Nein. Das gilt es zu respektieren. Bei kleinen, vermeintlich harmlosen Grenzüberschreitungen fängt es an. Ich habe aber bereits gezeigt, dass die Methoden von Pick Up Artists manipulativ sind und Jeremy Speer dieser Szene mindestens nahe steht. Der Gedanke, dass auch andere, stärkere Grenzen überschritten werden, weil laut Speer das Unterhaltungsrecht und der eigene Spaß an erster Stelle stehen, liegt nahe. Mal abgesehen davon, dass er die Grenze seiner Freundin nicht „mit ihr“ sondern gegen ihren Willen überschritten hat, ist der Aufruf ein Blanko-Scheck für sexualisierte Übergriffe. Frei nach dem von seinen Tweets und IG Stories inspirierten Motto: „Du hast vielleicht Nein gesagt, aber ich überschreite Grenzen mit dir. Ich mache hier die Ansagen, und tief in deinem Innern willst du es doch auch.“
Aber auch Männer werden von Jeremy regelmäßig runtergeputzt, wenn sie nicht seinem Bild eines erfolgreichen Cis-Typen entsprechen. Wer keinen finanziellen Erfolg nachweisen kann, wird als „broker Loser“ bezeichnet, und Speer verkauft das als „Wahrheit ist wichtiger als Lügen“. Ins selbe Horn stößt, wie eingangs erwähnt, auch Lorenz Konat. Hier wird ein absolut toxisches Männlichkeitsbild vertreten. Homophobe Beleidigungen sind in Speers Community normal, wer nicht dem Bild des männlichen Männlichkeitsmann entspricht, wird abgewertet. Auch in der PUA-Szene werden cis Männer, die in den Augen der PUAs „weich“ sind, abgewertet. Cis Männer, die sensibel sind und nicht permanent den Machomacker raushängen lassen, laufen angeblich Gefahr, von einer Frau verlassen zu werden, weil sie ihr zu unmännlich geworden sind.
Überhaupt die Augenhöhe. Die ist etwas, das Speer selbst ganz offensichtlich nicht verträgt. Am 01.10.2020 twitterte er „Immer noch keine Gleichberechtigung in meiner Beziehung.“
https://twitter.com/jeremy_dating_/status/1311592329606836225
In den Kommentaren fragte jemand, was das bedeute, ein anderer antwortete, dass er (also Jeremy Speer) die Ansagen mache, und nicht seine Freundin. Jeremy Speer hat auch nichts dazu geschrieben, um das zu verifizieren, zu konkretisieren oder zu dementieren. Man kann also davon ausgehen, dass das soweit stimmt. Er folgt damit einer der Grundüberzeugungen der PUA Szene, nach der ein cis Mann die Regeln setzt und die cis Frau zu folgen habe. DonJon, der Guru der toxischen Männlichkeit auf Youtube, sagt in seinem Video Wenn Frauen A sagen aber B meinen – Weibliche Psychologie aufgeschlüsselt (im Folgenden Weibliche Psychologie), dass, wenn man als cis Mann Frauen verbietet, feiern zu gehen und männliche Freunde zu haben, sie einen respektieren, sie wünschen es sich sogar. „Die Frau fühlt sich geschmeichelt, weil du besitzergreifend bist.“
Dass Speer entweder nicht das Standing hat, in einer Beziehung auch unangenehme Situationen oder einen Streit auf Augenhöhe durchzustehen, oder einfach nicht die Erfahrung darin hat – ich vermute einfach mal beides – zeigt sich auch im nachfolgenden „Beziehungstipp“:
https://twitter.com/jeremy_dating_/status/1310488902332022790
Eure Freundin „sucht Streit“? Verlasst den Raum oder antwortet ihr nicht. Die beruhigt sich schon wieder. Warum sollte man sich für die Gefühle, Anliegen oder Probleme der eigenen Freundin interessieren? Wenn sie nicht lieb und brav und immer freundlich lächelnd an eurer Seite sein kann, müsst ihr euch den Stress doch nicht geben. DonJon erklärt euch übrigens in dem Video Weibliche Psychologie, dass Frauen, wenn sie „zickig“ sind, eigentlich nur untervögelt sind und man es ihnen „einmal richtig besorgen“ müsse.
Deine Freundin ist sauer, weil du denkst, als Mann müsstest du nichts im Haushalt machen und will das mit ihr klären? Einmal auf dem Tisch flachlegen, zack, Problem gelöst. Wir haben ja schon gelernt, dass die Grenzen einer Frau auch bestenfalls nett gemeinte Hinweise sind, die man keinesfalls respektieren muss.
https://twitter.com/jeremy_dating_/status/1322093705822691328
Nun, man sollte sich tatsächlich nicht mit Menschen abgeben, die einen nicht respektieren. Bei Speer frage ich mich allerdings, wie diese „Respektlosigkeit“ aussieht? Und anstatt das Problem anzusprechen wird fröhlich geghostet? „Benimmt sie sich nicht richtig“ klingt eher nach Haustier, und „bis sie es einsieht“, als hätte er es mit einem bockigen Kind zu tun. Nicht mit einer Partnerin auf Augenhöhe, mit der man besprechen kann, wenn einen was stört. Aber oh, mein Fehler, Augenhöhe ist ja eh nicht so Speers Stärke.
Kurzer Exkurs: Die cis-hetero-binäre Welt der Dating Coaches
Der Vollständigkeit halber muss hier auch auf das cis-hetero-binäre Weltbild inkl. BDSM-Bashing der Dating Coaches eingegangen werden. Platz für mehr als zwei Geschlechter gibt es in ihrem Denken nicht. Non-binary Menschen und nicht-hetero Menschen werden abgewertet oder lächerlich gemacht. Entweder von den Coaches selbst oder von ihrer Community, deren homophoben Aussagen unkommentiert stehen gelassen werden.
https://twitter.com/jeremy_dating_/status/1309395099563036672
https://twitter.com/jeremy_dating_/status/1315934306045505537
Kampflesben dürfte hier als Sammelbegriff für alle Frauen gelten, die nicht nach der Pfeife dieser Möchtegernaufreißer tanzen.
Wohlgemerkt, es geht hier nicht um einen Mitarbeiter, sondern um einen Skyr. Und der von Lidl soll wohl nicht so top sein, und um das deutlich zu machen wird „schwul“ als abwertende Bewertung genutzt.
Ich habe den Live-Stream geguckt. Die beiden Gastgeber haben den Chatverlauf im Auge behalten, sie haben diesen Kommentar sogar vorgelesen – aber weil es nicht um Dating ging, wurde nicht weiter darauf eingegangen.
Homophobie wird also geduldet, LGBTQ*-Feindlichkeit aktiv produziert. Dass nicht-heterosexuelle Beziehungen gar nicht erst gedacht werden, sieht man auch an der Ausrichtung der Dating Coaches. Es geht nicht darum, cis Männern ein gesundes Selbstbewusstsein zu geben, damit sie allgemein beim Dating Erfolg haben. Es geht darum, dass sie Erfolg bei cis Frauen haben. Und diese natürlich unterwerfen, „erziehen“, manipulieren.
Die Misogynie der Coaches bleibt, und damit auch viel Arbeit für Feminist:innen
Jeremy Speers kompletter Social Media Auftritt ist durchzogen von PUA-Sprache, Misogynie und toxischer Männlichkeit. Man findet in nahezu jedem Tweet, jeder Antwort, jeder Insta-Story etwas, das auf diese Aspekte analysiert werden kann. Vielleicht denkt ihr: „Lass den Jungen doch“. Er ist kein Junge. Er ist ein junger Mann, der anderen cis Männern zweifelhafte Tipps zum Umgang mit Frauen gibt, die Empathie und Verständnis als Schwäche kennzeichnen, die Ghosting als valide Streitschlichtungsstrategie propagieren und die Frauen immer und immer wieder auf den Status eines zu dressierenden Hündchens reduzieren. Sie antwortet nicht schnell genug? Ghoste sie. Sie schreibt auch mit anderen Männern? Sie ist dein Interesse nicht Wert. Sie ist gerade für ein paar Wochen im Ausland und du willst warten? Frage dich lieber, ob sie dann noch die richtige ist.
Er nennt sich Dating Coach, aber so wie er (und andere Dating Coaches) cis Männer coacht, werden diese bei erfahrenen, selbstbewussten Frauen keine Chance haben, sondern ihren manipulativen Mist an unerfahrenen, verletzlicheren Frauen ausüben und ihnen nachhaltig schaden. Speer propagiert psychische Gewalt in Beziehungen wie auch Affären als probates Mittel. Will man ihn in die Verantwortung nehmen, heißt es aus seiner Community, dass jede:r für das eigene Handeln verantwortlich ist, aber der arme Jeremy Speer doch nicht. Doch. Ist er. Er hat als Coach Vorbildfunktion. Cis Männer wenden sich an ihn, weil sie sich Hilfe von ihm erhoffen, sie denken, er wisse mehr als sie und schlimmer noch: er habe Recht. Also folgen sie seinen Tipps oder dem, was sie dafür halten, denn wirklich differenzieren tut er nicht.
Die Gefahr bei Jeremy Speer und Konsorten ist ihr junges Alter. Sie sprechen eine vergleichsweise junge Generation von cis Männern an, die sich teilweise selbst noch finden müssen. Ja, das klingt esoterisch. Aber wer von euch wusste mit 18, 19, Anfang 20 schon so genau, wer sie:er war? Speer prägt eine ganze Riege von jungen Männern mit toxischer Männlichkeit und erzieht sie zur Misogynie. Er bringt ihnen bei, dass sie das Anrecht auf die exklusive Aufmerksamkeit einer Frau haben, und dass ihre Grenzen nicht zählen. Durch die durchgängige Homophobie und LGBTQ*-Feindlichkeit vermittelt er zudem, dass alles außer Cis-Heterosexualität lächerlich, minderwertig ist. Junge Menschen, die merken, dass sie nicht cis und/oder hetero sind, werden hier mit einem Weltbild konfrontiert, dass ihnen gewaltvoll zeigt: „Ihr seid schwach, ihr seid Loser.“ Was das mit jungen Menschen anrichtet zeigen die Statistiken zu Depressionen und Selbstmord in der LGBTQ*-Szene.
Ich habe schon häufiger gehört, dass sich die Pick Up Artist Szene in Deutschland nicht durchsetzen konnte und rückläufig ist. Wenn ich mir Speer und andere junge Coaches, egal aus welchem Bereich, angucke, glaube ich eher, da wartet noch viel Arbeit auf uns Feminist:innen.
- [1] Während der letzte Ansatz sogar stimmt, ziehen die PUA Coaches völlig falsche Schlussfolgerungen. Steven Bethke von The Devil Method (der inzwischen überall inaktiv ist) sagt in einem Video: „Liebe Männer, wenn ihr akzeptiert, dass Frauen mehr Sex haben, habt ihr auch mehr Sex, denn mit irgendeinem Mann müssen diese Frauen ja schlafen.“ Im gleichen Video erzählt er davon, dass Bush und Obama Kriege angefangen haben, weil sie nicht genug Sex und kleine Penisse hätten, Frauen und damit dann die Gesellschaft an sich seien viel harmonischer, wenn sie regelmäßig Sex hätten, etc.pp. Im Endeffekt propagiert er „Du musst nur mal richtig durchgenommen werden, dann bist du auch nicht mehr so zickig“. Das Gleiche sagt auch DonJon in seinem Video Weibliche Psychologie ungefähr bei 4:00.
- [2] DonJon zeigt in seinem Video Deutsche Prinzessin verführt, wie er eine Frau stoppt, in der er ihr den Weg versperrt „um ihre volle Aufmerksamkeit zu bekommen. Du bist in dem Moment wichtiger als ihr Arzttermin.“ Außerdem: „Ich strecke meine Hand aus und stelle mich vor. Das mache ich deshalb, weil die allermeisten Frauen darauf konditioniert wurden im Laufe ihrer Erziehung, dass sie, wenn sich jemand vorstellt, die Hand ergreifen und sich ebenfalls vorstellen. Das nutze ich natürlich aus (…) Ich halte ihre Hand natürlich fest.“ (ab 2:38)
- [3] DonJon Verführt, Weibliche Psychologie, 4:20
Bildnachweis: Titelfoto von Flora Westbrook von Pexels