Die frage, ob Männer Feministen sein können, wird im femistischen Diskurs immer wieder gestellt, nicht zuletzt in Pauline Hermanges Essay „Ich hasse Männer“. Auch wir haben uns diese Frage gestellt – und drei unserer Autor:innen haben geantwortet.
Eva
Vielleicht müssen wir da differenzieren zwischen Feministen und feministischen Aktivisten.
Wenn wir Frauen und anderen zugestehen, dass sie das Label „Feminist:in“ als Selbstbezeichnung tragen dürfen, auch wenn sie aus unserer Perspektive dem intersektionalen Feminismus Steine in den Weg legen, gilt das auch für Männer. Es gibt cis und trans Männer, die sich informieren, Frauen und anderen zuhören und sich quasi feministisch bilden. Dass es sehr lächerlich ist, wenn „Feminist“ als leere Floskel daher kommt, ist klar.
Bei feministischen Aktivisten sieht es anders aus. Aber auch da möchte ich kein klares „Nein“ sagen, denn gerade der intersektionale Feminismus kämpft doch auch für die Rechte von trans Männern oder für die Sichtbarkeit von toxischer Maskulinität. Und klar können da Männer als Betroffene einen feministischen Beitrag leisten. Sie müssen sogar. Genauso wie sie die Klappe halten und zuhören müssen, wenn es um Dinge geht, die ihren Erfahrungsschatz übersteigen. Denn dann können wir wirklich füreinander und miteinander das Patriarchat überwinden.
Daniela
Per Definition ist Feminismus eine Bewegung, die sich gegen strukturelle Diskriminierung gegen Frauen und andere vom Patriarchat unterdrückte Personen einsetzt. Das sind also im Grunde erst einmal alle Menschen, die nicht cis männlich sind.
Deshalb wäre die Frage konkreter: Können cis Männer Feministen sein? – Diese Diskussion wird immer wieder geführt, was zeigt: es gibt verschiedene Meinungen und nicht die eine richtige oder falsche Antwort.
Ich persönlich denke, cis Männer sind per Definition keine Feministen, können sich aber durchaus feministisch verhalten. Und entscheidend ist: Wir alle, die von dem Patriarchat kontinuierlich Unterdrückung erfahren, sind auf die Hilfe derer angewiesen, die im großen ganzen System dafür verantwortlich sind, Strukturen zu ändern – sei es beruflich in Firmen/Unternehmen, aber auch privat in Freundschaften.
Wir brauchen cis Männer, die ihren Kumpels sagen, wenn sie sexistische Sprüche reißen. Wir brauchen cis Männer, die in Unternehmen gendergerechte Sprache einführen. Wir brauchen cis Männer, die ihren Platz bei all male panels räumen und stattdessen Speaker*innen bei Veranstalter*innen vorschlagen, die nicht cis weiß männlich sind. Usw.
Kurzum: Wir brauchen cis Männer, die sich mit uns solidarisieren und Verbündete sind, ihre Macht erkennen und sie anderen außer ihresgleichen ebenfalls zugestehen – so wie sie einst für ihre eigene Macht gekämpft haben.
Nur mit ihrem Ally-Sein schaffen wir es alle zusammen, das Patriarchat zumindest etwas zu stürzen. Weil es sie sind, auf die gehört wird, weil uns Betroffenen in der Regel irgendwann nicht mehr zugehört wird und wir den Stempel „Feminist*innen” mit uns tragen, als wollten wir mehr als nur Gleichberechtigung und seien hier die Bösen.
Mari
Die Frage, ob sich Männer Feministen nennen dürfen, begegnete mir erst vor kurzem in dem Essay „Ich hasse Männer“ von Pauline Hermange. Bis dahin hatte ich mir nie Gedanken darüber gemacht, ob Männer sich auch Feministen nennen „dürfen“ oder nicht, für mich stellte sich die Frage einfach nicht.
Im ersten Moment fand ich Hermanges Erklärung logisch. Die Unterdrückenden claimen ein Label der von ihnen Unterdrückten, das geht nicht. Ich dachte an trans Menschen und Allys, an People of Colour und Allys, usw. Als Ally bezeichne ich mich als Ally, nicht als trans oder PoC. Allerdings kam ich damit schnell ein argumentatorische Grenzen, was den Feminismusbegriff und Männer angeht.
Feminist:in zu sein oder nicht zu sein ist eine Entscheidung, nicht etwas, mit dem man geboren wird. Wenn sich also ein Mann entscheidet, sich feministisch weiterzubilden, danach zu handeln und sich ggf. dafür einzusetzen, ist das feministisch.
Außerdem mag sich Feminismus etymologisch vom lateinischen Wort für Frau, femina, ableiten, und der Feminismus entstand ursprünglich auch als Frauenbewegung. Seitdem hat sich aber viel getan. Zum einen wurde erkannt und anerkannt, wenn auch bei weitem noch nicht von allen, dass es mehr als zwei Geschlechter und mehr Variation gibt als nur cis. Es wurde auch erkannt, dass nicht nur Nicht-Cis-Männer unter dem Patriarchat leiden, sondern dass das Patriarchat Männern ebenfalls schadet, wenn auch auf andere Weise, Stichwort: toxische Maskulinität. Es geht also schon lange nicht mehr nur um „die cis Frau“, die zudem in Europa nur weiß gedacht wurde, sondern um so viele mehr. Es geht um alle.
Feminismus bedeutet, meiner Auffassung nach, sich für die Gleichberechtigung aller Geschlechter einzusetzen, unabhängig vom Geschlecht. Wer das macht, ist in meinen Augen Feminist:in. Und das können eben auch Männer sein.