von Rachel
Was haben Midge Maisel aus „The Marvelous Mrs. Maisel“, Fran Fine aus „Die Nanny“, Gretchen Wieners aus „Girls Club – Vorsicht bissig!“ und Rebecca Bunch aus „Crazy Ex-Girlfriend“ gemeinsam? Sie sind alle JAPs, Jewish American Princesses.
Diskrimierungsformen können sich überschneiden, das wissen wir aus etlichen Studien und den Schilderungen von den Erfahrungen Betroffener: Sexismus und Misogynie, Rassismus oder Antisemitismus als „nette“ Gesellschaft ansehen. Daraus entstanden beispielsweise das Stereotyp der „Angry Black Woman“ oder auch die „Jewish American Princess“, kurz JAP, über die ich heute sprechen möchte. Das „American“ ist hierbei insofern relevant, dass diese Trope ihren Ursprung in den Staaten hat. Dort lebt der prozentual größte Anteil an jüdischen Menschen in der Diaspora.
Wie ist die JAP entstanden?
Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten amerikanische Jüdinnen:Juden beweisen, wie gut sie sich in die amerikanische Gesellschaft integriert haben. Sie wollten nicht mehr geothert und als „fremd“ angesehen werden. Sie wollten Vorzeige-Minderheit sein.
Der Weg dahin war nur mit einem gesellschaftlichen Aufstieg möglich, für den es Geld brauchte. Also wurde der Fokus stark auf eine gute Ausbildung gelegt, die später zu einem gut bezahlten Job führen sollte. Darüber konnte man sich gut tokenizen lassen: Sie konnten damit zeigen, wie „amerikanisch“ sie waren – was wiederum nötig war, um in der gesellschaftlichen Hierarchie aufzusteigen.
In den 50er Jahren bildeten jüdische Menschen einen sichtbaren Bestandteil der amerikanischen Mittelschicht, die hauptsächlich in Vororten großer Städte lebte. Das Bild dieser Mittelschicht materialisierte sich ein einem Häuschen mit weißem Lattenzaun und gepflegtem Vorgarten. Zu dieser Zeit galten hauptsächlich Frauen als Treiber:innen des Materialismus, da sie als Hausfrauen die Hauptzielgruppe für Werbung aller Art waren. Dies stieß jüdischen Männern wie beispielsweise Autor Philip Roth bitter auf: Sie hatten das Gefühl, dass die jüdisch-amerikanische Kultur zu materialistisch wurde, und erschufen mit ihrer misogynen Kritik das Bild der Jewish American Princess, welches später von jüdischen Frauen wie Barbara Streisand auf kömödiantische Art und Weise reproduziert wurde.
Was macht eine JAP aus?
Die Jewish American Princess ist eine junge jüdische Frau aus der Mittelschicht oder Upper Middle Class und zeichnet sich vor allem durch ihr privilegiertes Auftreten und Geld aus. Sie liebt Designerkleidung, Handtaschen und Schuhe, Schmuck etc. und ist in der Regel auch optisch dem gesellschaftlichen Schönheitsbild entsprechend. Ihr Geld kommt in der Regel von den Männern in ihrem Leben, entweder von ihrem Vater oder von ihrem Ehemann. Falls es letzteren noch nicht gibt so ist es die Lebensmission einer JAP, einen Ehemann zu finden, der ihr den Lebensstil, den bislang ihr Vater finanziert hat, weiter finanziert, damit sie das komfortable, sorglose Leben, das sie von Kindheit an kennt, weiterhin leben kann. ie treibende Kraft dahinter ist der von vorherigen Generationen geprägte Wunsch nach gesellschaftlichem Aufstieg, was in den 50er Jahren für eine junge Frau unweigerlich hieß, eine „gute Partie“ machen zu müssen. Aber die JAP ist nicht ungebildet, im Gegenteil: Nicht nur hat sie eine gute akademische Bildung genossen, sie ist auch meist auf dem Gebiet des Geldes sehr bewandert, speziell Verkauf und Handel. Dies reproduziert und nährt eine uralte antisemitische Behauptung und verstärkt so die Verbindung von jüdischen Menschen und Geld(-handel).
Eine dem Bild der JAP entsprechende Film- oder Serienfigur hat meistens auch optische Merkmale, die sie als solche identifizieren: Frizziges Haar, Designerkleidung und eine große (meist operierte) Nase. Diese Merkmale, besonders die Nase und die Haare, sind typische Merkmale ashkenazischer Jüdinnen:Juden (Nachkommen jüdische Menschen, die nach dem Zerfall des Königreichs Judäa nach Osteuropa verschleppt worden sind), die zu antisemitischen Stereotypen wurden. Was uns zu einem weiteren wichtigen Punkt bringt: Die JAP hat eine privilegierte Position inne, die nicht nur finanzieller Natur ist, sondern ein Stück weit auch White Privilege beinhaltet.
Das Stereotyp der JAP hat sich aber mit der Zeit weiterentwickelt, sodass sie mittlerweile auch positiv konnotierte Eigenschaften besitzt. Sie ist sehr hart arbeitend, was ihre Ausbildung betrifft, und ist deswegen oftmals eine Vorzeigeschülerin und auch spätere Studentin. Dass sie eine Ivy-League Universität besuchen muss, um später in einem gut bezahlten Job zu arbeiten, ist mittlerweile essentiell für jede JAP. Und weil dafür gute Noten allein nicht reichen, ist ihr ehrenamtliches Engagement ebenfalls sehr wichtig. Trotz dieser Vorbereitung auf eine Karriere ist es der JAP vorherbestimmt, im späteren Verlauf ihres Lebens einem weiteren Stereotyp zu entsprechen: der jüdischen Mutter, die sich hauptsächlich durch Überfürsorglichkeit und überkritisches Verhalten auszeichnet. rotz allem hat die JAP entweder nur eine sehr lose oder überhaupt keine Verbindung zu ihrer Jüdischkeit.
Wie schaffte es die JAP, von einem Stereotyp zu einer Trope zu werden?
Ursprünglich entstanden als personifizierte Kritik an Klassisismus und Materialismus, geboren aus Sexismus und Misogynie mit eine Spritzer Antisemitismus oben drauf, wurde die JAP bald sehr beliebt in den Medien. Da dieses Stereotyp von jüdischen Menschen erschaffen wurde und diese es auch selbst reproduzierten, verstand die nicht-jüdische Mehrheitsgesellschaft die JAP als einen Insider-Witz, über den jede:r lachen darf, was stark zur Verbreitung beitrug. Auch die Tatsache, dass mit der Zeit die JAPs immer weniger Verbindung zu ihrem Jüdisch-sein hatten, kam der Popularität zugute. So ließen sich latente antisemitische Stereotype reproduzieren, ohne dass sie bewusst als antisemitisch wahrgenommen wurden, was nebenbei gesagt auch heute ein globales Problem mit Antisemitismus in vielen Gesellschaftsbereichen ist.
Warum die JAP nicht nur in den USA schädlich ist
Ich habe zu Beginn des Artikels erwähnt, dass das Phänomen der jüdischen Prinzessin nicht nur ein amerikanisches Stereotyp ist. Das Bild der verwöhnten und verzogenen jungen Jüdin, die ihr Leben von Papa finanziert bekommt, ist eines, das sich global durchgesetzt hat und mitllerweile immer wieder auch nicht-jüdische Frauen zu hören bekommen. Aber insbesondere die Annahme, Jüdinnen:Juden besäßen automatisch aufgrund ihres Jüdisch-seins viel Geld und würden damit das komfortable Leben ihrer Kinder finanzieren, ist eine Behauptung, die ich selbst als Jüdin sowohl in bösartiger Unterstellung als auch in Witz-Form abkriege
Schlussendlich lässt sich am Beispiel der Jewish American Princess bestens erkennen, dass Gesellschaftskritik vie zu häufig darin endet, dass Frauen für gesellschaftliche Probleme verantwortlich gemacht werden.