Ein Gastbeitrag von Rike
Wir alle haben es schon erlebt oder zumindest eine*n Freund*in, die es erlebt hat: Eine Bekanntschaft oder ein Date wird unangenehm, aufdringlich, vllt sogar belästigend. Manchmal kann man sich einfach über das sprichwörtliche WC-Fenster absetzen, den Hinterausgang nutzen oder einen Anruf vortäuschen – aber was, wenn nicht? Wie Hilfe holen in einer Bar oder einem Club voller Fremder? Einfach danach fragen! Und zwar ganz unverfänglich, so als würde man eine Freundin suchen: „Ist Luisa hier?” Stellt man diese Frage Barkeeper*innen oder Mitarbeiter*innen, wissen fast alle Bescheid. Sie bestellen ein Taxi oder helfen diskret, sodass man die Situation verlassen kann. Ohne Angst, ohne Stress, ohne Aufsehen. Eine super Sache.
Keine Wunder also, dass dieses Konzept sich schon seit vielen Jahren in Bars, Kneipen und Clubs verbreitet. Wer sollte da auch etwas gegen haben?
Keiner hat was gegen ein Hilfe-Konzept. Oh, Moment…
Beim Frauen-Notruf in Münster hat man da ganz klare Vorstellungen davon, wie dieses Hilfekonzept auszusehen hat und wie es zu verbreiten ist. So genaue Vorstellungen, dass man sich die Markenrechte hat sichern lassen. Möchte jemand z. B. mit einem kleinen Aufkleber an der Tür oder einem Poster im Waschraum auf die Möglichkeit des Hilferufs durch Luisa aufmerksam machen, dann fängt das Problem an. Wer die Idee in seiner Stadt verbreiten möchte, so ganz „offiziell“, der muss Lizenzgebühren zahlen, einen Vertrag abschließen.
Auf die Idee ist in Bremen erstmal niemand gekommen – man wollte nur helfen. Daraufhin entbrannte ein Rechtsstreit, der mehr als nur wütend macht.
Die Organisator*innen aus Münster möchten weitaus mehr als 100 € von den Bremer*innen. Sie stoßen sich vor allem daran, dass in Bremen nicht nur ausschließlich Frauen und Mädchen angesprochen werden sollten. Nein, in Bremen war man der Meinung, dass jeder Mensch diesen Notruf nutzen darf.
Du brauchst Hilfe? Ja sorry, bist halt keine Frau.
Aber nicht mit Münster, wo kämen wir denn da hin, wenn plötzlich aus Versehen einem Mann geholfen wird?! Oder womöglich noch einem Menschen außerhalb des binären Geschlechterkonstrukts? Nee, nee, so einfach ist das nicht. Schließlich haben sich die Münsteraner*innen extra ihr Konzept sichern lassen. Zur Qualitätssicherung.
Da drängt sich mir die Frage auf: Welche Qualität denn? Die der unterirdischen Einstellung gegenüber dem Gedanken einer uneingeschränkten Hilfestellung für alle Gender und Körper? Oder geht es darum, dass niemand eine Idee verbreiten soll, die helfen könnte? Also, einfach so? Ohne ihnen Geld dafür zu geben?
Die Argumente sind hier wirklich lächerlich: Man habe das Konzept explizit für Frauen entwickelt und deshalb solle es auch bei ausschließlich Frauen blieben. Denn mit Männern kenne man sich nicht aus – und mit nicht-binären Identitäten wohl erst recht nicht.
Schon mal was von Angela gehört?
Aha. Entschuldigung, aber ihr habt doch überhaupt nichts entwickelt. Die Idee ist nämlich um einiges älter als eure Markenrechte. Und wenn jemand Rechtsansprüche an das Konzept hat, dann wohl eher die Menschen von der „Ask for Angela”-Kampagne aus England – die haben das nämlich zuerst „vermarktet”. Und es übrigens geschafft, niemanden mit fadenscheinigen Begründungen zu verklagen.
Ich möchte jetzt nicht ausfallend werden (doch, möchte ich …), aber es ist schon traurig, dass die Menschen hinter einem Frauennotruf, die sich groß und breit auf ihre lizenzierten Plakate schreiben, helfen zu wollen, derart kleingeistig, intolerant und profitorientiert sind.
Hilfe und Unterstützung steht allen Menschen zu. Egal ob männlich, weiblich, inter, enby. Egal ob Weiß oder Person of Colour. Wer dagegen etwas hat, bei dem ist eventuell jede Hilfe zu spät.
Wer sich von der Situation ein eigenes Bild anlesen möchte, ich empfehle zum Beispiel die Artikel aus der taz und dem WeserKurier.