„Wie heißen Sie denn jetzt?“, wurde ich nach meiner Hochzeit 2012 von unserer alten Bedienung in der Bäckerei gefragt. Mehrmals. Dass ich meinen Nachnamen behalten hatte, wollte ihr nicht so ganz in den Kopf gehen. Auch unser Vermieter nahm selbstverständlich an, dass mein Mann unseren gemeinsamen Nachnamen mitgebracht hatte. Denn wir waren nicht nur so unverfroren, meinen Nachnamen als Familiennamen zu wählen, der an unsere Kinder weitergegeben wird, sondern mein Mann hat ihn auch selbst angenommen. 3% der heiratenden gegengeschlechtlichen Paare, so wurde es uns damals im Standesamt gesagt, hielten es genauso wie wir.
6%, mehr sind es nicht
2018 kam eine Studie der Gesellschaft für deutschen Sprache auf 6% aller zweigeschlechtlichen Ehen, die den Familiennamen der Frau weiterführen – was nicht immer bedeutet, dass auch der Mann ihn annimmt. Immerhin können mittlerweile beide Ehepartner:innen ihren „alten“ Nachnamen behalten oder eine:r von beiden wählt einen Doppelnamen. Die überwiegende Mehrheit aber bleibt beim Nachnamen des Mannes. Kein Wunder. Dass überhaupt die Möglichkeit besteht, es anders zu machen, ist fast noch eine Neuheit. Erst seit 1957 können Frauen ihren Nachnamen an den des Mannes anhängen. 1976/77 kam dann die Möglichkeit hinzu, den Nachnamen der Frau zum neuen Familiennamen zu machen.
Seit 1991 muss kein Familienname mehr gewählt werden. Bis dahin war ein Doppelname die einzige Möglichkeit, dass beide Partner:innen ihren Nachnamen behalten. (All diese Beispiele beziehen sich auch deshalb ausschließlich auf zweigeschlechtliche Ehen, da es bis 2017 in Deutschland überhaupt noch kein Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Ehe gab.) Kniffelig wird es, wenn Kinder hinzukommen, denn die müssen entweder den einen oder den anderen Nachnamen bekommen. Doppelnachnamen für Kinder gab es zwar kurzzeitig, mittlerweile wurde diese Möglichkeit aber wieder aus den Regelungen gestrichen. Aber vor diesem Problem stehen ja auch Paare, die nicht verheiratet sind und ein Kind bekommen. Unser erster Sohn, der bei unserer Hochzeit vier war, hatte meinen Nachnamen bekommen. Den hätten wir allerdings auch an einen neuen Familiennamen anpassen können.
Nachnamen sind keine Kleinigkeit
Das klingt alles wie eine beiläufige Kleinigkeit. Wir definieren uns doch nicht über unseren Nachnamen! Wobei doch manchmal das Gegenüber nur mit dem Nachnamen angesprochen wird. Zu offiziellen Anlässen stellt sich mensch auch oft mit dem Nachnamen vor. Er steht an Haustüren und auf Briefumschlägen, auf Akten und Verträgen. Mein Mann musste sich anhören, er würde seine Familie verraten, als er meinen Namen annahm. Auch wenn wir ihn gerne mal beiseite schieben, ihn für etwas privates halten und als alltägliche Gegebenheit hinnehmen, so ist der Nachname eben doch nicht nur eine Kleinigkeit. Wir merken das an Filmen wie „The Rise of Skywalker“ sehr pathetisch, oder noch wesentlich alltäglicher, wenn jemand all seine Ausweise und Unterlagen ändern lassen muss, weil si:er einen neuen Nachnamen hat. Übrigens: 75% der Frauen übernehmen weiterhin bei einer gegengeschlechtlichen Heirat den Namen des Mannes komplett. Und haben danach eben diese Arbeit mit der Änderung.
Historisch lässt sich das nicht nur mit dem Übergang in eine andere Familie und deren Regelungen, sondern mit der Objekthaftigkeit der Frau begründen. Die Frau wechselte den Besitzer, darum bekam sie einen neuen Namen. Sie musste Kinder bekommen – im Idealfall Söhne – , damit der Name weitergeführt werden konnte. Nachnamen haben sich im Mittelalter entwickelt. Sie entstanden aus Beziehungen zu anderen Personen, Berufen, Beziehungen zu einem Ort oder durch Auffälligkeiten. Dabei spreche ich aber maßgeblich von den christlichen Nachnamen in Deutschland. Für jüdische Nachnamen hat Rachel zuletzt einen tollen Thread auf Twitter geschrieben. Im Judentum kamen die Nachnamen lange Zeit aus der Verbindung zum eigenen Vater. „Erst im 18. und 19. Jahrhundert wurden Familiennamen bei Juden_Jüdinnen im Rahmen der Emanzipationsgesetze Pflicht“, schreibt Rachel. Diese orientierten sich dann an den Namen der Väter, Berufen, Orten, aber eben auch positiven Konnotationen.
Der Name und das Patriarchat
Wie sehr all das mit dem Patriarchat verbunden ist, wird klar, wenn wir über den Tellerrand schauen. Im alten Ägypten beispielsweise haben Frauen keinesfalls den Nachnamen ihres Mannes angenommen. Stattdessen haben sie ihren eigenen Nachnamen matriarchal der Tochter vererbt, während der des Mannes an den Sohn ging. Auch in anderen Kulturen war eine ähnliche Linie der Namensweitergabe alltäglich. Wir kennen heute noch Länder, in denen die Nachnamen auf Versionen von „Sohn“ oder „Tochter“ enden, die eben genau jene Beziehung darstellen. Dass die Frauen den Namen des Mannes annehmen sollten, stammt wie die Erfindung der Nachnamen selbst ebenfalls aus dem Mittelalter. Die Tochter oder ledige Frau galt als Besitz des Vaters. Gab es keinen Vater, musste ein Onkel oder ein anderer männlicher Verwandter die Vormundschaft tragen. Mit der Übernahme des „neuen“ Namens wurde auch die Zuständigkeit neu geregelt. Der Ehemann war nun Bestimmer über seine Frau.
Im Nachnamen und seiner Wahl nach einer Hochzeit verankert ist darum ein breites Machtgefüge, das die Frau immer wieder objektiviert oder als unmündig darstellt. Obwohl es Möglichkeiten gibt, nicht den Nachnamen des Mannes als Familiennamen einzusetzen, werden diese betont selten genutzt. Viele Männer kommen gar nicht auf die Idee, ihren Nachnamen abzulegen. Gleichzeitig besteht oft der romantisierte Wunsch, einen gemeinsamen Namen zu haben. Übrigens: Ich gestehe gerne, dass ich die Wahl unseres Nachnamens tatsächlich ganz und gar meinem Mann überlassen habe. Ich hing nicht allzu sehr an meinem, den ich ja auch patriarchal von meinem Vater habe – aber ich habe mich sehr gefreut, den bürokratischen Aufwand der Namensänderung nicht auf meinem Tagesplan zu finden.
Zahlen für gleichgeschlechtliche Ehen?
Bevor die sogenannte “Ehe für alle” im Oktober 2017 rechtswirksam wurde, konnten gleichgeschlechtliche Paare lediglich einen gemeinsamen Lebenspartnerschaftsnamen bestimmen. Noch ein Jahr zuvor fand der Bundesgerichtshof diesen Umstand als nicht diskriminierend und es dauerte noch ein Jahr nach der Gesetzesänderung bis keine:r der Partner:innen mehr zwingend als Ehefrau beziehungsweise Ehemann geführt wurde. Mittlerweile aber gilt für gleichgeschlechtliche Ehen, dass ebenso wie bei zweigeschlechtlichen Vermählungen entweder ein gemeinsamer Familienname gewählt wird, ein:e Ehepartner:in einen Doppelnamen wählt oder beide ihren Nachnamen behalten und falls nötig später entscheiden. Zahlen habe ich dazu noch keine gefunden, aber vielleicht übersteigt das derzeit auch noch das hetero-cis-normative Denken der zuständigen Stellen.