Morgen ist Weltfrauentag, der inklusiv auch feministische Kampftag genannt wird. Überall werden Frauen auf die Straße gehen und für ihre Rechte und die Gleichbehandlung aller Geschlechter einstehen. Sie werden streiken, laut werden und sichtbar sein. Einmal im Jahr wird die überwiegende Mehrheit so tun, als sei das ihr gutes Recht. Immerhin ist Weltfrauentag, lasst sie nur machen. Es werden Rosen verteilt, denn Rosen, das weiß das Patriarchat, machen alles besser.
Wir wollen mehr, nicht nur am Weltfrauentag. Echte Aufmerksamkeit für Frauen, die unsichtbar gemacht werden, zum Beispiel. Den Blick erweitern und nicht nur weiße cis Frauen bejubeln. Den feministischen Kampftag weg nicht als Schmeichelei des Patriarchats feiern, sondern als Tag aller Frauen. Darum stellen wir euch heute Frauen vor, die Großartiges geleistet haben und noch leisten. Menschen, die ihr kennen und deren Namen euch inspirieren sollten.
Wenn das Patriarchat anruft, einfach wegdrücken
Dass unsere Telefone erkennen, wer gerade anruft, ist maßgeblich Shirley Ann Jackson zu verdanken. Ihre physikalischen Forschungen haben uns auch Glasfaser und Solarzellen ermöglicht. Unsere Welt wäre nicht die, die sie ist, ohne Shirley Ann Jackson.
Die Afroamerikanerin wurde am 5. August 1946 geboren. Als sie ihr Studium an einer der renommiertesten
Universitäten der US begann, war sie eine der wenigen Frauen und eine der wenigen schwarzen Studierenden. Sie war die erste Afroamerikanerin, die am MIT (Massachusetts Institute of Technology) ihren Doktor machte. In ganz US Amerika war die die zweite im Fach Physik. Und damit endet ihre grandiose Laufbahn keineswegs.
Mehrere wichtige Posten nahm sie als erste Frau überhaupt ein, z. B. wurde sie Präsidentin des RPI (Rensselaer Polytechnic Institute) und half der technischen Forschungsuni aus einer Krise. Sie beriet das Weiße Haus und wurde eine aktive Stimme ihres Landes.
Shirley Ann Jackson hat sich gegen Sexismus und Rassismus behauptet, um ihren Traum wahr zu machen und ihren Weg zu gehen. Eine wahre Inspiration. – Eva
Wenn dein Sport dich zwingt, zur Aktivistin zu werden – dann mach‘s richtig und mit ganzem Herzen
Frauenfußball war lange in Deutschland verboten – nicht schon immer, sondern seit 1955 aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Fußballbundes (DFB): „Diese Kampfsportart [ist] der Natur des Weibes im wesentlichen fremd“ und „im Kampf um den Ball [schwindet] die weibliche Anmut und Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden“, hieß es damals. Erst 1970 wurde das Verbot aufgehoben, eine Nationalmannschaft wurde 1982 eingerichtet – und das auch nur, weil der DFB Angst hatte, dass die mittlerweile trotz des Verbotes spielenden Frauen einen eigenen Verband gründen würden.
Eine von diesen Frauen ist Petra Landers. Als 19jährige hatte sie in ihrem damaligen Verein selbst eine Mädchenmannschaft gegründet, um überhaupt ihrem Sport nachgehen können. Gegen alle Widerstände trat Landers mit ihrem Club, der SSG 09 Bergisch Gladbach, schon 1981 anstelle einer Nationalmannschaft bei der inoffiziellen Fußball-WM in Taiwan an, um die Versäumnisse des DFB aus dem Weg zu räumen – und gewann den Titel. Aktivistin für Frauen im Fußball blieb sie auch über ihre aktive Karriere hinaus. Bis heute ist sie eine der lautesten Kritikerinnen, wenn es um die Frauenfußballstrategie des DFB geht. Aber ihr Herz ist abseits der großen Bühne in Sambia, wo sie ehrenamtlich und auf eigene Kosten mehrere Monate im Jahr lebt und mit Mädchen Fußball spielt.
Petra Landers ist nicht nur Pionierin in Sachen Frauenfußball in Deutschland – sondern ruht sich nie auf Lorbeeren aus und vernetzt sich mit fußballbegeisterten Frauen auf der ganzen Welt für emanzipatorischen Fortschritt im Sport. – Becci
Eine laute Stimme für die Ungehörten
Leider ist es immer noch so, dass wir in Europa vor allem westliche Menschen bzw. Menschen aus dem globalen Norden anführen, wenn es um herausragende politische und aktivistische Vorbilder geht. Gerade im Bereich Frauenrechte und Kampf gegen das Patriarchat findet man vorrangig Zitate, Bilder und Geschichten von weißen Personen. Dabei gibt es zahlreiche Kämpfer:innen aus dem globalen Süden.
Eine der wichtigsten aber immer noch unbekanntesten lebenden Personen in diesem Kontext ist wohl Oby Ezekwesili. Die Menschenrechtlerin aus Nigeria arbeitet seit Jahrzehnten politisch und hat die wichtige NGO Transparency International mitgegründet. Die Organisation ist eine gemeinnützige, parteipolitisch unabhängige Bewegung von gleichgesinnten Menschen aus aller Welt, die sich dem globalen Kampf gegen die Korruption verschrieben haben.
Oby engagiert sich stets weltweit wenn es um die Bekämpfung von Ungerechtigkeit und Unterdrückung geht. Als es im April 2014 zu einer Massenentführung in Nigeria durch die Boko Haram Terroristen kam, bei denen 276 jugendliche Schülerinnen verschleppt wurden konnte Oby nicht tatenlos zu sehen. Unter dem Hashtag #bringbackourgirls startete sie eine weltweite Kampagne um Aufmerksamkeit für das Verbrechen zu erlangen und Druck auf die nationale wie internationale Politik aufzubauen. Gleichzeitig rief sie immer wieder dazu auf, mehr als nur Hashtag Nachrichten zu senden und sich aktiv einzubringen. – Lara
One thing I say could be pivotal…… #IWD2020 . pic.twitter.com/8A6AmbRE4D
— Oby Ezekwesili (@obyezeks) March 2, 2020
Den Nazis entflohen, um nicht nur Hollywood zu erobern
Nicht mehr viele kennen Hedy Lamarr, Hedwig Eva Maria Kiesler ( 9. November 1914 – 19. Januar 2000), die besonders in den 40ern und 50ern eine Ikone in Hollywood war, noch weniger Menschen wissen, dass sie Jüdin war und einer Ehe mit einem Nazi entflohen ist. Ihr 1. Ehemann verbot ihr die Schauspielerei und versuchte sie zu einer Konversion zum katholischen Glauben zu zwingen, was sie aber nicht zuließ. 1937 verließ sie ihn und machte anschließend nicht nur Karriere als Hollywood Schauspielerin, was mich umhaut ist die Tatsache, dass sie auch noch Erfinderin war!
1942 patentierte sie eine Funkfernsteuerung für Torpedos, die durch selbstständig wechselnde Frequenzen schwer anzupeilen und deswegen weitestgehend störungssicher war. Die Funksteuerung galt als Vorreiter für Bluetooth und half den Alliierten maßgeblich in ihrem Kampf gegen die Nazis. Sie stellte sich so deutlich gegen die Menschen, denen sie entflohen ist, und war ihrer Zeit weit voraus. Sie ließ sich nicht in eine Schublade stecken und zeigte der Menschheit, dass sie nicht nur eine schöne Schauspielerin ist und als Zierobjekt dient, sondern auch, dass sie klug ist.
Für mich eine absolute Inspiration – Rachel
Who’s she?
„Wer ist sie?”, das fragt man sich oft, wenn man Frauen-Namen aus der Geschichte hört. Viele Frauen sind für wesentliche Erfindungen, Entdeckungen und Errungenschaften verantwortlich und dennoch sind die Namen vielen Menschen nicht geläufig. Gertrude Ederle, Harriet Tubman, Valentina Tereshkova, Frida Kahlo oder Coco Chanel, um nur mal einige Namen zu nennen, die hier noch keine Erwähnung fanden. Die meisten davon schaffen es nicht in die klassischen Schulbücher oder in die Räume, wo über Geschichte und Historie gelehrt wird. Auch da ist das Patriarchat allgegenwärtig und (cis) Männer werden von Epoche zu Epoche als regierende Ikonen, kriegende Herrscher (sic!) und edle Ritter (sic!) gefeiert.
Was ihre Partner:innen und andere Frauen (sowie andere von Marginalisierungen Betroffene) in der Zeit gemacht haben, bleibt irgendwo im Schatten verborgen und wird wenig erzählt. Auch gelesene Bücher von Frauen und nicht cis-männlichen Autor:innen lassen sich in der Schule meist an einer Hand abzählen. Doch auch sie gibt es: die Schriftsteller:innen, die Geschichte geschrieben haben. Und, weil es so wichtig geworden ist, eben auch ihre Namen zu nennen, tut sich einiges auf dem Büchermarkt, bei Aktivist:innen und auch auf dem Spielemarkt.
Augen auf – nicht nur am Weltfrauentag
So lassen sich beispielsweise auf allen sozialen Medien unter dem Hashtag #WirLesenFrauen jede Menge Bücherinspirationen finden zu – meist zeitgemäßer – Literatur von eben Autorinnen. Good Night Stories for Rebel Girls ist nicht nur ein populäres Kinder- und Jugendbuch geworden, sondern auch für alle Erwachsene eine Bereicherung, die mehr über Frauen aus der Vergangenheit erfahren wollen, die etwas bewegt und erreicht haben. Und auch die illustrierte (Kinder-)Bücherreihe Little People, Big Dreams widmet sich ausführlich und pro Buch hauptsächlich der Portraitierung vieler wichtiger Frauen (inzwischen gibt es auch einige Bände, die das Leben historisch relevanter Männer beleuchten). Und last, but not least, widmet sich der Eingangsfrage „Who´s she?” auch ein Brettspiel, das mit gezielten Fragen hilft, wichtige Frauen, die ebenso zur Veränderung der Welt beigetragen haben, wie ihre männlichen Kollegen (sic!), kennenzulernen.
Denn es gab sie schon immer: die wichtigen Frauen, die die Weltgeschehnisse geprägt haben. Entscheidend ist es, ihre Namen zu nennen und kennen – nicht nur morgen zum Weltfrauentag. – Daniela