Ostern ist ein ziemliches Paradox. Die christliche Kirche feiert seit mehr als 1.700 Jahren die Auferstehung Jesu und hat dieses Fest passenderweise zu einem Fest der Fruchtbarkeit in den Frühling verortet, in dem auch die Welt jedes Jahr wieder neu aufersteht. Metaphorisch zumindest. So ähnlich hat die Kirche das ja mit Weihnachten und dem Lichterfest, das schon lange vor der Erfindung des Weihnachtsfestes zu dieser Zeit im Jahr gefeiert wurde, auch gemacht. Bei Ostern ist die Vermischung zwischen vorzeitlichen mythischen Praktiken und christlichen Umdeutungen genauso manifestiert, aber wesentlich weniger logisch. Eier und Kreuzgang, Hase und Lamm, da hapert es ganz schön. Selbst der Name Ostern kommt von einer Fruchtbarkeitsgöttin, von Eostrae, und hat mit Jesus oder dem christlichen Glauben so gar nichts zu tun.
Huldigt der Fruchtbarkeit
Dass aber seit wesentlich mehr als diesen 1.700 Jahren Osterfeierlichkeiten Frauen und Fruchtbarkeit in einem Zug gedacht werden, klingt schon wieder sehr nach Denkmustern, die sich auch dank der christlichen Lehre verbreitet haben. Aber Schritt für Schritt. Eier stehen in vielen antiken Kulturen für Fruchtbarkeit. Aus Eiern schlüpfen Küken, Fische, Schlangen, Echsen. Dass eine der menschlichen Keimzellen den Namen Eizelle bekommen hat, liegt hier begründet. Wir lassen Kinder also zu Ostern nach fast schon archaischen Fruchtbarkeitssymbolen suchen. Das gab es übrigens schon immer: Im alten China wurden lange vor Christi Geburt angemalte Eier im Frühling verschenkt. Fruchtbarkeit aber galt lange als Sache der Frau – und seien wir ehrlich, gilt es zum großen Teil immer noch.
Altertümliche Kulturen wusste noch nicht, wie die menschliche Fortpflanzung genau funktioniert. Dass es Menschen gibt, die schwanger werden und Kinder bekommen, war ziemlich deutlich. Dass auch andere Menschen Teil daran haben, war wiederum weniger ersichtlich. Fruchtbarkeit galt darum zunächst als ureigene weibliche Kraft, wurden doch die gebärenden Personen alle als Frauen gelesen. Dieser Gedanke ist so verbreitet, dass er nicht nur von frühen Feministinnen als Legitimation für Macht definiert wurde, sondern immer noch unsere Vorstellungen von Geschlechtern massiv beeinflusst. Frauen können Kinder bekommen, Männer haben einen Penis. So weit, so falsch.
Die Frau, die Mutter
Schon immer gab es Frauen, die keine Kinder bekommen können oder wollen, und auch die Tatsache, dass Männer durchaus in der Lage sein können, ein Kind zu gebären, ist nichts Neues mehr. Dennoch ist der Gedanke, dass eine Frau keine Mutter wird, für viele schlicht unvorstellbar. Immerhin trimmen wir bereits Mädchen darauf, sich in ihre gesellschaftliche Rolle zu fügen. Neben der Puppenmutter hat sich noch kein typischer Puppenvater gezeigt, denn Jungen sollen ja erst einmal wild sein und sich nicht um Mental Load kümmern. Menschen mit Eierstöcken werden aber aufgrund der 50.000 Eizellen, die sie bei ihrer Geburt besitzen (können), auch direkt ab ihrer Geburt als Mütter inszeniert. Sie wachsen in einer heteronormativen Welt auf, in der rein statistisch ihre Mutter mehr Arbeit im Haushalt übernimmt als ihr Vater, mehr Zeit mit ihnen verbringt, und in der sie bereits im Grundschulalter gefragt werden, wie viele Kinder sie denn bekommen wollen. An andere Familienmodelle als Vater-Mutter-Kind versuchen wir an dieser Stelle besser nicht zu denken – denn die Gesellschaft tut es tendenziell auch nicht.
Frauen müssen fruchtbar sein. Kaum sind sie dem Kindesalter entwachsen, steht die Frage, wann die eigenen Kinder kommen, unentwegt im Raum. Halten sie ein Baby, heißt es: „Na, übst du schon mal?“. Ist ein:e Bekannte:r oder Verwandte:r gerade Elter geworden, werden sie gefragt, ob sie nicht auch langsam mal loslegen wollen. Keine Familienfeier ohne die Frage, wann denn endlich die Windeltorte angeschnitten werden kann, die Familie brauche schließlich einen Stammhalter, höhö. Obwohl es mittlerweile verschiedene Untersuchungsmöglichkeiten gibt, wird beim vermeintlich unerfüllten Kinderwunsch erst einmal vom weiblichen Versagen angenommen. Die Frau ist faul, sie kann ihren natürlichen Zweck nicht erfüllen. Da möchte man sich doch die Eierstöcke rausreißen, wenn man welche hat, und jemanden damit verdreschen.
Verkitscht und verklärt
Frau und Mutter. Das ist ein so fest verwobenes Gebilde in der kollektiven Vorstellung unserer Gesellschaft, dass kinderlosen Frauen erst mit Argwohn, später mit Mitleid begegnet wird. Die Arme, hat das einzige verpasst, was ihr im Patriarchat Lebenslegitimation hätte geben können. Während ein kinderloser Mann immer lustig und frei wahrgenommen wird, gilt eine Frau ohne „Leibesfrucht“ weder als vollständige Frau noch als wirklich glücklich. Dabei werden problematische Schwangerschaftsverläufe, die Körper und Psyche nachhaltig beschädigen können, genauso ausgeklammert wie postpartale Depressionen, mütterlicher Burnout und die Tatsache, dass Mutterschaft immer nur ein Teilaspekt eines Menschenlebens sein kann, nie aber dessen gänzliche Erfüllung. Und – wait for it – ich spreche da aus Erfahrung. Immerhin hab ich vier Kinder, liebe sie wie blöd und gehe trotzdem jeder:m an die Gurgel, di:er weiterhin behauptet, jede Frau müsse Mutter werden und Muttersein wäre der Garant für weibliche Glückseligkeit. Das ist nämlich ein ziemlich faules Ei. Frohe Ostern.