Hallo, ich bin Eva und ich bin Sexistin.
Ich gebe das nicht gerne zu, denn immerhin bin ich auch Feministin und kämpfe tagtäglich gegen Sexismus. Außerdem behaupte ich, früher wesentlich sexistischer gewesen zu sein. Damals, als ich dachte, das einzige, was ich im Leben als Frau leisten könnte, wäre Kinder zu bekommen. Da war ich selbst noch ein Kind. Oder als ich nach der Geburt meines ersten Kindes zum Muttertier wurde, dass glaubte, die Mutter wäre die einzige Person, die sich richtig um ihre Nachkommen kümmern könnte. Das ist jetzt etwas mehr als 12 Jahre her und hielt zum Glück nur ein halbes Jahr an, bis mir das Vollzeitmuttersein gehörig auf den Senkel ging. Mein Respekt an alle Menschen, die es sich privat oder beruflich zur Aufgabe gemacht haben, rund um die Uhr für Kinder da zu sein. Noch vor ein paar Jahren habe ich meinen Kindern gesagt, manche Menschen würden mit einem falschen Geschlecht geboren. Ich wusste es nicht besser, weil der internalisierte Cis-Sexismus unserer Gesellschaft mich von Informationen abschottete. Binäre Sichtweisen und Biologismen, gefährliches Halbwissen und Skepsis haben meinen Weg zur Feministin begleitet.
Auch heute bin ich noch Sexistin. Wenn ich meine Söhne nur mit Bauchweh in ihren Lieblingskleidern aus dem Haus lasse. Auch wenn ich meiner Tochter die pinken Glitzerschuhe verbiete, geschieht das aus sexistischen Überlegungen. Dass ich solche Schuhe meinen Söhnen immer erlaubt habe, kommt noch dazu. Ja, Sexismus ist auch, wenn man mit sexistischen Stereotypen so hadert, dass man sie quasi verbietet, statt das Kind den eigenen Weg gehen zu lassen. Feminismus und rosa Glitzerschuhe sind keine Gegensätze, das weiß ich. Jeden Tag lote ich meinen Weg zwischen den Sexismen aus, mit denen ich täglich konfrontiert werde, und denen, die ich in mir trage und nicht immer sofort erkenne.
Die Stimme des Sexismus
Als vor zwei Jahren mein viertes Kind auf die Welt kam, erfuhr ich erst im Kreißsaal, mit welcher Geschlechtszuschreibung es von seiner Umwelt wahrgenommen wird. Ich weiß, dass es selbst entscheidet, ob es Frau, nicht-binäre Person, Mann oder etwas ganz anderes ist. Doch ich kenne auch die Reaktionen unserer Umgebung auf Geschlechter. Nicht zuletzt war da diese leise Stimme in mir, die enttäuscht aufseufzte, als es hieß: „Es ist ein Junge“. Ich mag diese Stimme nicht. Ich habe ihr lange erklärt, dass es keinen Unterschied für mich macht, dass meine Kinder unabhängig vom ihnen zugeschriebenen Geschlecht Kleider und Hosen tragen, rosa und blau mögen, mit Puppen und Holzbausteinen spielen dürfen. Sie ist sehr uneinsichtig, diese Stimme, und ich schäme mich ihrer immer mal wieder.
Es ist die gleiche Stimme, die mir immer mal wieder einflüstert, etwas sei typisch Mann und typisch Frau. Sie sagt mir, dass ich doch bitte lächeln soll, dass mein Aussehen wichtiger ist als mein Können, dass ich doch bitte nicht zu dominant in meiner Beziehung sein soll. Manchmal klingt sie wie meine Oma, manchmal wie meine Schwiegermutter. Sie haucht mir ein: „Siehst du, Frauen gehören eben an den Herd“, wenn ich mich ums Essen kümmere, einkaufen gehe und die Termine der Kinder im Blick habe. Dabei verheimlicht sie, dass mein Mann gründlicher saugt, mehr mit den Kindern spielt und unsere Vorräte im Auge hat. Sie gibt mir permanent das Gefühl, nicht genug zu sein und für alles verantwortlich. Sie ist sehr sexistisch diese Stimme, und sie gehört zu mir.
Verlockend oder gefährlich
Manchmal übertönt die Stimme alles und ich vergesse meine feministischen Argumente. Ich weiß dann, dass sie noch da sind, doch ich kann sie nicht mehr formulieren. Es ist verlockend einfach, zu denken, ich bin eben eine Frau, ich bin eben nicht so stark, ich verstehe eben manche Dinge nicht. Es ist verlockend einfach, zu glauben, dass es eine einfache Formel für Geschlechter gibt und nur zwei Schubladen, aus denen nur selten ein paar Socken herausfallen. Manchmal ist die sexistische Stimme in mir schneller als die feministische. Dann ärgere ich mich über mich selbst und reflektiere. Warum habe ich die Bekannte gerade gefragt, wo ihre Kinder sind, obwohl die doch genauso gut bei ihrem Vater aufgehoben sind? Wieso habe ich mich eben von Äußerlichkeiten verleiten lassen? Weshalb wurden meine Vorstellungen gerade von Stereotypen gelenkt?
Meine sexistische Stimme ist es auch, die mich am meisten mit dem Label „Frau“ hadern lässt. Denn obwohl ich mich zum großen Teil als Frau verstehe, gibt es so viele Zuschreibungen, mit denen ich nicht einverstanden bin, die nicht auf mich zutreffen und mir immer wieder zu denken geben. Weil ich Sexistin bin, weiß ich, wie gefährlich Sexismus ist, und will ihn bekämpfen – in mir selbst, aber auch in der Gesellschaft. Sexismus steckt in so vielen Strukturen unseres Lebens und betrifft uns alle.
Ich bin Sexistin, aber ich arbeite daran.