Wie wir uns kleiden, hat viel mit Gender zu tun. Farben, Schnitte, Stile haben natürlich kein Geschlecht. Dass wir bestimmte Kleidungsstücke und Darstellungen einem Gender zuschreiben, liegt an unserer Sozialisierung. Einfachstes Beispiel: Vor weniger als 100 Jahren war Rosa noch eine „Jungenfarbe“, Mädchen trugen dagegen eher Blau, viele Kinder wurden in hellen, beigen oder weißen Tönen gekleidet, unabhängig von ihrem Geschlecht, und in einfachen Hemdkleidchen gesteckt – längere Hemdchen, die teilweise bis zu den Knien gingen. So schnell können sich solche Dinge ändern. Dass dabei der historische Blick gerne mal wichtige Fakten auslässt, haben wir euch schon einmal gezeigt.
Das war nicht schon immer so
Was sich auch sehr geändert hat, ist die Größe von Taschen bei Kleidung, die als „Frauenkleidung“ gelabelt wird. Rock- und Kleidtaschen sind fast vollständig verschwunden, waren früher aber regelrecht „normal“. Auch die Hosentaschen wurden immer kleiner. Heute sind sie teilweise nur noch aufgenähte Scheintaschen; selbst eine gerade geschnittene Jeans hat Taschen, in die keine ganze Hand passt, geschweige denn Smartphones, Geldbeutel oder eine Packung Taschentücher. Es gibt sogar eine Studie, die zeigt, wie unverhältnismäßig klein diese Taschen sind. Wer mehr Platz will, muss auf „Mum-Jeans“ oder „Boyfriend-Jeans“ umsteigen. Chinos oder weite Stoffhosen bieten manchmal mehr Platz, aber auch hier gibt es die Versionen, bei denen die Tasche nicht mehr als eine Ziernaht ist. Warum?
Oft wird mit dem sexualisierenden male gaze argumentiert, dem männlichen Blick, der dafür gesorgt hat, Kleidung für cis Frauen (an trans Frauen wird da gar nicht gedacht) möglichst eng und angeblich sexy zu machen. Beulen in der Hose seien unschön oder unweiblich, und da Oberflächlichkeit bzw. Eitelkeit als angeblich weibliche Eigenschaft geführt wird, lässt sich bei Frauenkleidung (sic!) auf Taschen ja ganz verzichten. Mit Sicherheit ist diese Sexualisierung und die Objektifizierung der cis Frau als Deko-Objekt für den cis Mann Teil der Entwicklung. Tatsächlich ist der Hintergrund aber noch weit politischer.
Versteckte Taschen
Taschen entwickelten sich im 17. Jahrhundert. Davor gab es Beutel, aus denen sich die heutigen Handtaschen entwickelt haben. Beutel für alle, in vielen verschiedenen Größen, und dann schließlich Taschen. Groß genug, um eben alles zu transportieren, was sonst in die Beutel kam. Diese Taschen waren bei Menschen, die Kleider und Röcke trugen, zwischen dem oberen Kleid und dem Unterkleid festgebunden, was es schwierig machte, an die Habseligkeiten darin zu kommen. Manche Kleider hatten Öffnungen, durch die eins greifen konnte, aber auch das war noch ziemlich unpraktisch.
Das Aufnähen von Taschen war ein Schritt des Feminismus. Quasi. Kleidung sollte praktischer werden, auch für Menschen, die keine Männer waren. Die Sufragetten entwickelten Kleidungsstücke, die mehrere Taschen hatten. In Kriegszeiten war praktisch wichtiger als hübsch, also trug eins auch vermehrt Hosen mit großen Taschen. Für das Patriarchat war es mehr und mehr gefährlich, dass Frauen und andere versteckt Dinge tragen konnten. Sufragetten konnten Waffen transportieren, die Menschen konnten Waren schmuggeln, Bücher, Informationen. Für das Patriarchat war es wichtig, dass das, was eine nicht dya cis männliche Person bei sich tragen konnte, limitiert werden konnte. Et voilá. Die Forderung nach Röcken und Kleidern für Frauen wurde laut, ohne Taschen versteht sich.
Ein Klischee wird geboren
Dafür entwickelte sich das Klischee der Damenhandtasche. Jene tragbare Tasche, die vorher für alle ein täglicher Gebrauchsgegenstand war, wurde also auf ein Geschlecht limitiert. Eine Handtasche konnte durchsucht werden, sie war als Tasche erkennbar und es war relativ leicht, sie der Person abzunehmen, die sie trug. Als die Hose schließlich gänzlich auch für andere als dya cis Männer ein alltägliches Kleidungsstück wurde, mussten hier die Taschen dementsprechend kleiner bleiben. Der schmale Schnitt ist darum nicht nur dem male gaze zu verdanken, sondern eine Folge der politischen Macht des Patriarchats – oder besser gedacht dem Wunsch nach Machterhalt bei den Mächtigen.
Denn Kleidung wird nicht nur als Merkmal für Gender verstanden, sie zeigt auch Macht. Hosen, Anzüge, vermeintlich „männliche“ Kleidungsstücke demonstrieren Macht, während Röcke, Blusen, Kleider diese Macht reduzieren. Gleiches gilt natürlich für die Farbsymboliken, die ich oben bereits erwähnt habe. Diese Einordnung beginnt bereits bei Neugeborenen, deren Gender noch gar nicht klar ist. Gendermarketing will gelernt sein, damit jede:r weiß, was im Patriarchat anzuziehen ist. Wer keine Taschen hat, kann dieser Macht nicht gefährlich werden. Spoiler: Doch.