Kennt ihr Xanthippe? Ich begegnete ihr das erste mal in Caius ist ein Dummkopf, einem Jugendbuch, das im alten Rom spielt. Xanthippe war die Frau eines berühmten griechischen Philosophen – sein Name ist an dieser Stelle unwichtig – , die ihn stets drangsaliert und geradezu drakonisch genervt hat. Noch heute werden dominante Ehefrauen „Xanthippe“ genannt. Das ist ein Beispiel, in dem uns eine selbstbewusste Frau, die nicht nach der Pfeife ihres Vaters/Ehemannes/männlichen Vormunds lebt, als etwas Negatives, Böses vorgemacht wird.
Die böse Frau
Die Wurzel des ganzen liegt in einem Umstand, der noch nicht einmal jede Frau betrifft, der Mutterschaft. Die Mutterschaft galt lange als etwas Unerklärliches, eine ureigene Magie, die dem weiblichen Geschlecht zugeordnet wurde. Heute wissen wir, dass weder alle Frauen Mütter werden, noch eine Geburt zur Ausübung der Mutterrolle notwendig ist und auch Männer gebären können. Doch der patriarchale Blick setzte (und setzt) Frausein mit Muttersein gleich. Mütter waren mächtig und darum gefährlich. Nahezu alle weibliche Müttergottheiten waren Symbole des Lebens und des Todes zugleich. Sie sorgten für Fruchtbarkeit und Verderben.
Die abrahamitischen Religionen kennen als ihren Ausgangsmythos die Geschichte von Adam und Eva im Paradies. Eine Geschichte erzählt, dass Adam vor Eva schon einmal eine Frau hatte, Lilith. Diese jedoch war dem Manne nicht gehorsam und wurde verbannt. Aus ihr wurde die Mutter aller Dämonen. Und auch Eva ist keinesfalls als unterwürfige Figur in die Religionsgeschichten eingegangen. Sie pflückte die Frucht der Erkenntnis und verführte Adam, davon zu kosten. Die böse, böse Frau. Die Dämonin, die Verführerin, die Schuldige. Jahrhunderte nach dieser Geschichte fand das Christentum in der Figur der jungen Frau Maria (gerne auch als Jungfrau diffamiert), die perfekte, passive Weiblichkeits- und Mütterikone, das Mädchen für immer.
Potentiell böse
Die Frauen aber – und alle, die dafür gehalten wurden – schlugen sich seither mit der Anklage herum, potentiell böse zu sein. Sie sollte ihr Haupt bedecken, ihren Blick senken und still sein, denn alles, einfach alles, konnte als Verführung angesehen werden. War sie klug und stark, nutzte ihr wissen und half anderen, wurde sie im Notfall zu Hilfe gerufen und sonst ausgegrenzt. Diesen wissenden Frauen rückte das Patriarchat mit weiteren Anschuldigungen zu Leibe. Sie seien unrein, mit dem Teufel im Bunde, Hexen. Noch heute gibt es Länder, in denen die Frau schuld ist, wenn sie vergewaltigt wird. Sie soll nichts lernen, nichts wissen, nichts verstehen. Das Patriarchat hat längst erkannt, dass Frauen ihm gefährlich werden können.
Die Dämonisierung der Frau ist ein so altertümliches wie aktuelles Thema. Es beinhaltet die Umkehr der Täterschaft, wenn Frauen Gewalt angetan wird, und den Ausschluss der Frau von Bildung und Karriereoptionen. Seit die Aufklärung im achtzehnten Jahrhundert die Frau der Natur und dem Mann der Kultur zugeordnet hat, ist auf dieser Linie nicht viel passiert. Im Gegenteil. Noch heute rühmen sich selbst Frauen, sie seien natürlicher, sanfter, passiver, weniger aggressiv. Das alles nur, um nicht in das Bild der Dämonin zu rutschen. Das der bösen Frau. Dazu gehört längst auch die heugabelschwingende Emanze, die Feministin.
Seid Dämoninnen!
Die böse Frau erscheint uns in der knallharten Miranda Pierce, der eisernen Lady Margaret Thatcher, und eben auch in Xanthippe. Aus ihr wurde Lady Macbeth, die rosarote Dolores Umbridge, die Stiefmutter im Märchen. Sie werden zu Negativbeispielen stilisiert und jedem Kind vorgezeigt. So nicht, das ist nicht weiblich, das sind böse Frauen, es sind Dämoninnen. Das urzeitliche Bild der alles verschlingenden Göttin wurde längst zusammengestutzt zu einem kreativlosen Patriarchatsalbtraum. Ich finde, es ist höchste Zeit, für einen Weckruf, also lasst uns Lärm machen. Lasst uns laut sein, lasst uns widersprechen, lasst uns unbequem sein. Die Zeit des Kuschelfeminismus ist vorbei. Seid Dämoninnen!