Das erste, was Google mir ausspuckt, wenn ich in die Suchleiste „intelligente Frauen“ eingeben ist die Ergänzung „Single“. Weiter geht es mit „bleiben allein“, „Beziehungen“, „bleiben Single“, … Intelligenz und Beziehungen scheinen bei Frauen generell nicht gut zusammenzupassen. In den letzten Jahren haben mehrere Studien sich damit beschäftigt, dass intelligente Frauen für Männer weniger attraktiv sind. Ich muss hier von Frauen und Männern ohne Unterscheidung in cis und trans oder den Einbezug von nichtbinären Menschen schreiben, da die Studien hierzu keine Daten liefern. Sprich: es wurde einfach mal wieder statistisch nicht erfasst, wie viele der befragten Menschen trans oder cis oder gar nichtbinär waren.
Niemand will eine kluge Frau
Männer wollen keine klugen Frauen, präziser: keine Frauen, die klüger sind als sie selbst. Schon meine Mama hat mich davor gewarnt, zu zeigen, dass ich intelligent bin. „Das schüchtert Männer ein“, sagte sie, da war ich noch nicht einmal erwachsen. Intelligenz wird oft mit Wissen gleichgesetzt und Wissen mit Macht. Beides sind Trugschlüsse, denn nur weil jemand intelligent ist, handelt si:er noch nicht automatisch klug oder weiß viel. Auch Machtstrukturen verlaufen anders, sonst hätte sich wohl kaum ein Großteil aller Satiriker:innen die letzten vier Jahren über den amerikanischen Präsidenten und seinen Intellekt lustig gemacht. Diese Abwertung von wenig Intelligenz oder wenig Wissen rutscht allerdings auch schnell in Richtung Ableismus. Einmal ganz deutlich: Intelligenz oder Wissen, Denkfähigkeit oder Gehirnfunktion sagen NULL über einen Menschen aus. Gleichzeitig wird Wissen in unterschiedlichen sozialen Schichten unterschiedlich verteilt – Klassizismus pur. Intelligenz sorgt in unserer Welt aber leider durchaus für eine gesellschaftliche Wertung.
Wissen ist Macht, Macht sorgt für Wissen
Denn wer an der Macht sitzt, kann darüber bestimmen, was als Wissen gilt. Hier kann ich auf die immer wieder und immer noch aufflammende Debatte um die Darstellung marginalisierter Menschen auf Wikipedia reden. Aber auch die Institutionen, die Wissen vermitteln soll, die Schulen und Universitäten, stehen hier zur Debatte. Denn wo lernen wir berühmte dya cis Männer und ihre Taten kenne, ohne, dass berühmten dya cis Frauen und anderen genauso viel Raum bereitgestellt wird? Richtig. Wie unsere heutige patriarchalen Machtstrukturen Geschichte verzerren, haben wir bereits in einem unserer letzten Artikel gezeigt. Intelligente Frauen passen nicht in dieses Bild, in diese Vorstellung der Welt als Spielplatz des dominanten weißen dya cis Mannes. Wer Wissen besitzt, besitzt darum zwangsläufig Macht – und sei es nur die Macht, an dieser Vorstellung zu rütteln.
Stichwort Hexenverfolgung
Auch die Dämonisierung von wissenden Frauen und anderen wurde von uns schon angesprochen. Die intelligente Frau, cis oder trans, ist also ein regelrechtes Feindbild. Kein Wunder, dass sie als unattraktiv wahrgenommen wird. Wissen ist in unserer Welt etwas männliches, Intelligenz an Geschlechtervorstellungen gebunden. Werfen wir doch einen Blick in die Riege der Wissenschaften, wo sich die Anwesenheit von jeglichen Frauen nach oben hin ausdünnt: Je höher der Abschluss, desto weniger cis Frauen, inter oder trans Personen, queere Menschen oder nicht weiße. Ähnlich ist es übrigens beim Lehrpersonal selbst. Gibt es in den Grundschulen noch mehr Lehrerinnen als Lehrer, wechselt das Verhältnis in der sogenannten höheren Bildung, und Professorinnen finden sich recht selten. Auch das liegt an der Abwertung von intelligenten Frauen. Ich selbst habe kürzlich einen Beitrag in einem Sammelband zu verschiedenen Perspektiven über Mütter und Mutterschaft im Wissenschaftsbetrieb veröffentlicht. Denn natürlich mischt in die geringe Sichtbarkeit von Akademikerinnen auch der Umgang mit Müttern in unserer Gesellschaft mit, denen höheres Denken schnell abgesprochen wird.
Ich weiß, dass ich nichts weiß
In Kassandras Schleier erklärt Wolfgang Schmidbauer, dass intelligente und hochbegabte Frauen (er beschränkt sich auf cis Frauen) sich selbst wesentlich stärker hinterfragen und permanent an sich zweifeln. Sie sehen ihren Blick auf die Welt als fehlerhaft, hadern mit ihren analytischen Fähigkeiten und schweigen lieber. Schmidbauer bringt hier zwar nicht selbst das Impostor-Syndrom ins Spiel, doch dieses psychologische Phänomen funktioniert genau so. Auch bekannt als Hochstapler-Phänomen bezeichnet es das permanente Hadern und Anzweifeln der eigenen Fähigkeiten. Erfolge können nicht angenommen werden und bei Lob fühlen Betroffene sich wie Hochstapler:innen. Ist es verwunderlich, dass signifikant mehr Frauen unter dem Syndrom leiten? In einem Beitrag von Ciani-Sophia Hoeder beim RosaMag wird diese Problematik von unserer nicht nur patriarchal, sondern auch von Weißen dominierte Gesellschaft für afrodeutsche Frauen noch potenziert. Gemäß dem Motto, wenn man(n) jemandem etwas nur oft genug sagt, glaubt diese Person irgendwann selbst daran. Das Impostor-Syndrom ist gemacht aus Fremdzuschreibung und Erwartung, permanenter Erniedrigung und Ausgrenzung.
Intelligente Frauen und andere Marginalisierte stellen sich unwissend und naiv, sie schweigen, wenn sie eine Antwort wissen, und denken gleichzeitig, dass sie und ihre Arbeit weniger wert sind, als dya cis Männer. Es ist ein Kreislauf, der sich in unserer Wirklichkeit längst etabliert hat. Denn Wissen ist Macht und Macht ist Wissen.