Wir sind zu Hause. Der Ausnahmezustand, in dem sich unsere Gesellschaft aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus gerade befindet, ist neu und ungewiss; wir können nicht auf unseren Erfahrungsschatz zurückgreifen, wie wir es sonst gerne tun, um unser Leben zu strukturieren. Gleichzeitig zeigt sich schmerzhaft, dass die Krise unterschiedliche Menschen unterschiedlich hart trifft: Personen, die von Armut betroffen sind, die in ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen arbeiten, die eine Behinderung haben oder chronisch krank sind und deshalb zu einer Risikogruppe gehören, auf denen unbezahlte Carearbeit lastet oder die aus einem anderen Grund in unserer Gesellschaft marginalisiert sind – all diese Gruppen haben es gerade härter als ich.
Mein Privileg schreit: „Lass uns was tun!“ Aber auch das Spektrum von feministischem Aktivismus erscheint gerade eingeschränkt. Doch nur, weil wir nicht auf die Straße gehen können, heißt das nicht, dass unser Feminismus ruhen muss. Lasst uns sammeln, was wir gerade tun können, wenn wir Kapazitäten, Ressourcen, Löffel übrig haben: Hier kommt das (unvollständige, erweiterbare) #StayTheFuckAtHome-Feminismus 101 für Corona-Zeiten!
- Ihr könnt etwas gut, das anderen gerade helfen könnte? Kinderspiele erklären, Heimarbeitsplätze einrichten, Reparatur von technischen Geräten, die für den Alltag wichtig sind, Stickmuster: Macht ein unkompliziertes Video-, Podcast- oder Texttutorial (zum Beispiel in euren Instagram-Stories, WhatsApp-Videos oder über andere Kanäle, auf denen ihr ohnehin unterwegs seid) und teilt euer Wissen und Können solidarisch.
- Achtet darauf, was in eurem Umfeld vor sich geht – was hört ihr von euren Nachbar:innen, was lest ihr aus den Nachrichten eurer Freund:innen heraus, wen hört ihr vielleicht gar nicht mehr? In Zeiten von Ausgangssperre und Social Distancing steigen die Zahlen zu häuslicher Gewalt, von der vor allem Frauen, nicht-binäre Personen und Kinder betroffen sind. Seid aufmerksam, bietet Hilfe an, und sei es „nur“ das Zusenden der Nummer des Hilfetelefons (08000 116 016 – auch per Chat oder in Gebärdensprache möglich).
- Leistet Widerrede und Widerspruch, wenn ihr im Internet sexistische Kackscheiße lest, die mit „Jetzt in der Corona-Krise gibt es wirklich wichtigeres als euren Genderkram“ begründet wird. Nein.
- Passt auch auf euch selbst auf. Es ist okay, sich jetzt um sich selbst zu kümmern. Nicht jede:r hat Ressourcen für feministischen Home-Aktivismus übrig, nur weil man mehr Zeit zuhause verbringt. Im Gegenteil: Auf viele Lebenskonstellationen, insbesondere solchen mit Kindern, lastet gerade ein enormer zusätzlicher Arbeitsaufwand und Druck. Beschwert euch, seid unzufrieden, verflucht die aktuelle Situation, lasst eure Wut raus. Es behebt zwar nicht das Problem, aber vielleicht nimmt es ein wenig psychische Last von euren Schultern.
- Falls euer Job gut von Remote aus weiterlaufen kann und ihr keine finanziellen Einbußen zu befürchten habt: Gebt etwas weiter an feministische Aktivist:innen und Künstler:innen, die gerade nicht wissen, wie sie ohne Aufträge und Veranstaltungen über die Krise kommen sollen. Umverteilung jetzt.
- Nutzt freigewordene Zeit zu Hause, um jetzt eure feministischen Thinkpieces zu schreiben, Netzwerktreffen online einzuberufen (Online-Treffen sollen der neue heiße Scheiß sein) und zukünftige Aktionen zu planen, erklärt euren Freund:innen und Familienmitgliedern, was an ihrem Spruch in der WhatsApp-Gruppe gerade sexistisch, rassistisch oder klassistisch war. Kleine Dinge im Jetzt können in der Zukunft viel bewirken.
- Gleichzeitig: Es gibt keinen Wettbewerb, der darin besteht, die Corona-Quarantäne möglichst effizient zu nutzen, auch wenn es bei manchen Personen so scheint. Ihr müsst eure Zeit, egal ob Arbeits-, Carearbeits- oder Privatzeit nicht plötzlich im Sinne des Kapitalismus durchstrukturieren – überleben und gut zu Mitmenschen sein ist im Ausnahmezustand schon Aufgabe genug.
- Und zu guter Letzt: Seid solidarisch mit Pflegekräften, Mitarbeiter:innen in Supermärkten oder im ÖPNV, Lehrer:innen, die entgegen der (nicht) gegebenen digitalen Strukturen Unterricht für ihre Schüler:innen kreativ in die Cloud verlagern – Menschen die sich gerade für unsere Gesellschaft den Arsch aufreißen. #StayTheFuckAtHome (Natürlich ist draußen sein okay, wenn ihr das nur zusammen mit Personen macht, die in eurem Haushalt wohnen, und Abstand zu anderen haltet).